Nebelflut (German Edition)
las, desto fassungsloser machte sie ihn.
Die Badezimmertür wurde aufgeschlossen und Patrick legte das Telefon reflexartig zurück an seinen Platz. Dann stand er auf und ging zum Kleiderschrank, um sich einen neuen Pullover zu holen. Grace kam aus dem Bad, ein Handtuch um den Kopf gewickelt, und musterte ihn überrascht. »Ich wusste gar nicht, dass du hier oben bist.«
»Tja …« Er zog den Pullover über. Er wollte ihr in dieser Situation nicht halbnackt gegenüber stehen. »Bin ich aber.«
»Warst du an meinem Handy?« Es lag kein Argwohn in ihrer Stimme, nur Verwunderung. Dieses Miststück.
»Wäre das schlimm?«
Grace lachte irritiert und rubbelte ihr Haar trocken. »Nein, wieso sollte es? Ich frag nur.«
»Einfach nur so?«
»Ja, ich …« Sie runzelte die Stirn, schloss die Tür hinter sich und kam langsam auf ihn zu. »Was ist denn los?«
»Die Frage solltest du dir eigentlich selbst beantworten können.«
Ihre Verwirrung machte einem Anflug von Wut Platz. »Dann würde ich ja nicht dich fragen.«
»Nimm dein Handy.«
Grace musterte ihn, als wäre er betrunken oder verrückt geworden. Langsam und ohne ihn aus den Augen zu lassen, ging sie zum Bett und griff nach dem Telefon.
»Lies die Nachricht.«
»Patrick, ich–«
»Lies die verdammte Nachricht!«
Auf einmal standen Tränen in ihren Augen. Sie senkte den Blick aufs Display und las. Doch anstatt sich zu rechtfertigen, schüttelte sie nur ungläubig den Kopf. »Du musst mir glauben, Patrick, das–«
»Erzähl mir keine Scheiße!«
»Das tue ich nicht. Cal hat mir lediglich ein paar Yogaübungen gezeigt! Ich habe gar kein Interesse an ihm, geschweige denn–«
»Was, Sex mit ihm im Sportraum?«
Grace sah ihn lange an. Tränen rannen über ihre Wangen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Was denkst du nur von mir?«, flüsterte sie.
»Wenn die Sache so harmlos ist, wieso heulst du dann?«
Graces Stimme war immer noch kaum hörbar. »Weil du mir nicht vertraust.«
Patrick musterte sie abschätzig und wusste nicht, was er glauben sollte.
»Bitte, Patrick. Wenn du mir nicht glauben kannst, dann ruf Cal doch einfach an und mach dir ein Bild von ihm!«
Bevor Patrick etwas erwidern konnte, vernahm er Schritte auf der Treppe. »Misses Namara? Tammie ist hingefallen und blutet!«
»Ich komme sofort, Sophie!« Grace wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und drückte Patrick das Telefon in die Hand. Dann verließ sie das Schlafzimmer ohne ein weiteres Wort.
-32-
Die Shamrock-Lodge war eine kleine Pension mit nur zehn Zimmern. Irene Pajak, Besitzerin und Betreiberin zugleich, erwartete Brady bereits an der Tür und brachte ihn in einen gemütlich eingerichteten Raum, der als Rezeption und Aufenthaltsraum in einem diente. Eine steile Holztreppe führte nach oben, eine Glastür auf den hauseigenen Parkplatz. Brady warf einen Blick nach draußen und entdeckte ihn sofort. Zwischen zwei Familienvans stand ein rostiger, grauer Pick-Up.
»Möchten Sie sich setzen?«, fragte Irene.
»Nein, danke. Ich würde gerne direkt mit Ihren drei Gästen sprechen.« Brady konnte den Blick nur schwer von dem Wagen abwenden.
»Selbstverständlich. Sie sind in …«, begann Irene, dann senkte sie die Stimme, als ein betagtes Ehepaar den Raum durchquerte und sich auf einem der Sofas niederließ. »… Zimmer sieben und neun.«
Brady nickte und verzichtete darauf, sich Notizen zu machen. Zwei Nummern würde er sich so gerade noch merken können. »Die beiden Männer sind in …?«
»Sieben.« Irene lächelte und strich sich eine aschblonde Haarsträhne hinters Ohr. Sie wirkte wie jemand, der nervös war, aber versuchte eine gefasste und seriöse Fassade zu wahren. »Kann ich noch etwas für Sie tun?«
Auf den Stufen war lautes Gepolter zu hören, dann entdeckte Brady einen Teenager mit hellblondem Haar, der die Treppe herunter kam. Der Junge trug zerschlissene Jeans und einen dunkelgrünen Pullover. Er zog einen riesigen Lederkoffer hinter sich her, der schon mal bessere Tage gesehen hatte.
»Guten Tag«, sagte Irene Pajak.
Der Junge blickt sie verstört an, dann verzog er die Lippen zu einem zaghaften Lächeln und zerrte den Koffer weiter hinter sich her.
Als er durch den Hinterausgang verschwunden war, wandte sich Irene wieder Brady zu. »Das ist der Jüngere der beiden Männer«, flüsterte sie mit einem verstohlenen Blick durch die Glastür.
»Ach, wirklich?« Brady war ernsthaft überrascht. Er beobachtete, wie der Junge den Koffer vor dem Pick-Up
Weitere Kostenlose Bücher