Nebelflut (German Edition)
verschwand, dann wurde Amy grob in die Höhe gezogen, bis ihre Füße über dem Boden schwebten. »Aber ich lüge nicht. Ich–«
Mary ballte ihre Hand zur Faust und knallte sie auf den Tisch. Besteck klirrte, eines der Wassergläser fiel um. Amy glaubte, dass sie jetzt wieder in das Zimmer kam und wünschte sich, dass sie ihr Glas ausgetrunken hätte. Aber es war zu spät.
»Schaff sie mir aus den Augen!«
Douglas zögerte keine Sekunde. Obwohl Amy zappelte und mit aller Macht versuchte sich zu wehren, schleppte er sie mühelos aus der Küche.
-38-
Es war schon nach neun. Brady lief aufgeregt auf und ab, warf abwechselnd einen Blick auf die Uhr und aus dem Fenster. Er fühlte sich wie gerädert. Sein Kopf schmerzte und seine Glieder waren schwer wie Blei. Am liebsten wäre er einfach nach Hause gegangen. Der Abend mit Chloe war zu viel gewesen.
»Vergiss es, diese Simmons kommen nicht mehr«, sagte Kilian. »Die haben dich gelinkt, das ist doch mehr als offensichtlich.«
Brady hatte Kilian von seinem Zusammentreffen mit Nate und all den Ungereimtheiten erzählt, die sich aufgetan hatten. Am liebsten hätte er mit Sean darüber gesprochen, schließlich wusste er immer Rat, aber der Alte hatte sich den ganzen Morgen über schon nicht blicken lassen. »Glaubst du, Sean ist mit Nate Simmon durchgebrannt?«
Kilian lachte. »Zuzutrauen wäre es ihm. Das dunkle Geheimnis des Sean Callahan.«
»Scheiße.« Brady ließ das Rollo herunter und setzte sich auf die Tischkante. »Ich gebe denen noch dreißig Minuten, dann fahre ich hin und prügle sie hier her.«
»Lass das nicht die Presse mitkriegen.«
Brady spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. »Wie meinst du das?«
»Na ja, prügelnde Polizisten sind doch immer eine Schlagzeile wert.«
»Ach so … Hast du heute schon in die Zeitung geguckt?«
Kilian nickte. »Klar. Es steht noch nichts drin, aber die Webseite der Sun ist ziemlich aktuell.«
»Und?«
»Sie haben über Amy Namaras Beisetzung geschrieben und den früheren Fall aufgerollt. Aber auf eine respektvolle Art. Soweit das geht.«
»Gut.« Scheinbar hatte Chloe Wort gehalten.
»Warum gibt es eigentliche keine Pressekonferenzen?«
»Anweisung von ganz oben. Sullivan meint, dass es nur Unruhe stiftet, wenn wir eine Konferenz einberufen. Dass die Bevölkerung Angst bekommt oder so. Aber ich glaube, es geht ihm im Endeffekt darum, dass er nicht will, dass Parallelen zu Amy Namaras Fall gezogen werden. Damals standen die Kollegen ziemlich schlecht da.«
»Weil sie sie nicht aufgespürt haben?«, fragte Kilian.
»Hätten sie wenigstens eine Leiche gefunden, hätte die Akte geschlossen werden können, aber so …«
»Verstehe. Und jetzt fürchtet er, dass wir den Klumpfuß-Fall auch nicht aufdecken und das ganze Dezernat in den Dreck ziehen.«
»Er hält die Sache lieber klein.«
»Jetzt ist der Namara-Fall doch zumindest geklärt.«
»Und die Presse berichtet ja auch drüber«, sagte Brady. »Nur gibt es eben keine Konferenz.«
Kilian zuckte mit den Achseln. »Muss ich nicht verstehen, oder?«
»Nein.« Was hätte Brady auch sagen sollen? Irgendjemand von uns gibt Infos an die Presse weiter und diesen Jemand ersetze ich nun, damit nur noch gefilterte Informationen nach draußen dringen? Es bedarf keiner Pressekonferenz, weil es ja mich gibt? Es stimmte, dass es Anweisungen von ganz oben gab, nicht mit der Presse zu kommunizieren, aber das galt nicht nur für Konferenzen, sondern generell. Dass Brady – und vor ihm schon jemand anders – sich über dieses Gebot hinwegsetzte, durfte niemals herauf bis zu Sullivan gelangen.
Sie schwiegen eine Weile, bis Bradys Handy sie mit Seven Nation Army beschallte.
»Brady McCarthy?« So schnell er konnte, nahm er ab, um dem Lärm ein Ende zu bereiten.
»Ich bin’s, Sean. Wir haben einen neuen Mordfall.«
Brady brauchte ein paar Sekunden, bis er verstand. »Wir haben …«, stammelte er. Dann zwang er sich zur Ruhe und setzte erneut an. »Wieder ein erschlagener Penner?«
»Diesmal ist es eine Frau. Sie wurde erschossen.«
»Und warum übernehmen wir das? Ich meine …« Alles in ihm sträubte sich, eins und eins zusammenzuzählen.
»Weil die Tat ähnlich ist und der Fundort nur wenige Kilometer vom letzten entfernt liegt. Sagt dir der alte Saint Anne’s Friedhof in Bohernabreena etwas?«
Brady schüttelte den Kopf. Wenn die beiden Fälle etwas miteinander zu tun hatten … Er wagte es nicht, den Gedanken zu Ende zu spinnen. Kilian war
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