Nebelflut (German Edition)
die Gräber.
»Sieht nicht gut aus, was?«
Brady hockte sich vor Sean. »Die Simmon-Brüder haben was hiermit zu tun! Mit diesem Mord und auch mit dem zuvor!«
»Wer hat was?«
Brady atmete durch. Er hatte in der Aufregung vollkommen vergessen, Sean über alles in Kenntnis zu setzen. Er ordnete seine Gedanken, dann erzählte er Sean die ganze Geschichte. »… Fallon hat ein Haar gefunden. Ein hellblondes. Toby Simmon hat die gleiche Haarfarbe«, schloss er schließlich.
Sean runzelte die Stirn, dann sagte er: »Ein Haar beweist leider rein gar nichts. Schon gar nicht an einem öffentlich zugänglichen Tatort. Selbst wenn die DNA von Simmon mit der des Haares übereinstimmt, dann haben wir noch lange keinen Beweis dafür, dass dieser Toby auch der Mörder dieser Frau ist. Wir sind die Polizei, Brady. Wir sind dafür da, Tätern Taten nachzuweisen und nicht dafür, ihnen etwas zu unterstellen . Vor Gericht kommen wir mit Vermutungen nicht durch.«
»Als ich bei den beiden war, haben sie einen Koffer auf die Ladefläche des Pick-up gewuchtet. Darin hat sich die Leiche dieser Frau befunden, da bin ich mir sicher!«
»Wir müssen die beiden zur Rede stellen, da hast du recht«, sagte Sean. »Aber mach dir keine allzu großen Hoffnungen.«
-40-
Patrick schloss die Haustür hinter sich und horchte, doch es war alles still. Grace hatte freitags die Mittagsschicht und musste seit etwa einer Stunde fort sein. Sophie schien sich mit Tammie nicht im Haus aufzuhalten, also sparte er sich eine Begrüßung und ging gleich nach oben.
Normalerweise verbrachte Patrick den Mittag in der Praxis. Nach dem Ende seiner Vormittagssprechstunde dauerte es meistens eine weitere Stunde, bis er schließlich mit dem letzten Patienten fertig war. Dann las er die Post, führte Telefonate und widmete sich anschließend der Nachmittagskundschaft. Heute allerdings lief es etwas anders. Zwar hatte er sich vorgenommen, Grace zu glauben, was die Angelegenheit mit diesem Cal anging, und neunundneunzig Prozent von ihm wollten das auch – doch weil im Moment so vieles aus den Fugen geriet, konnte es nicht schaden, wenn er sich, zumindest was sie anging, ein wenig absicherte.
Er durchquerte das Schlafzimmer, betrat das Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich. Dass Grace sich einen Platz in diesem Raum hergerichtet hatte, war Teil einer seltsamen Anwandlung gewesen, die auch zur Folge gehabt hatte, dass sie wieder arbeitete. Eigentlich fand Patrick, dass sie zu Hause bleiben sollte bis Tammie in den Kindergarten ging, doch im Herbst des vergangenen Jahres hatte Grace ein plötzlicher Emanzipationswahn befallen, den Patrick bisher nicht ernst genommen hatte. Wenn er ehrlich war, hatte er geglaubt, dass ihr die Doppelbelastung nach ein paar Wochen Arbeit im Kindergarten zu viel werden und sie wieder zu Hause bleiben würde. Stattdessen war sie heute Morgen schon wieder voller Vorfreude gewesen, eine Tatsache, die seinem Misstrauen neues Futter gegeben hatte.
Er trat an den alten Küchentisch, den Grace als Schreibtisch nutzte und klappte ihr Netbook auf. Während der kleine Computer hochfuhr, öffnete er das Fenster und steckte sich eine Zigarette an. Er blätterte die Zeitung vom Montag auf, die ebenfalls auf ihrem Tisch lag, und entdeckte auf der Titelseite das Phantombild eines entstellten jungen Mannes. Scheinbar wurde er im Zusammenhang mit dem Mord in Brittas gesucht. Bedeutete das, dass er selbst aus dem Schneider war? Immerhin hatte er seit seiner Vernehmung nichts mehr von Callahan und McCarthy gehört. Doch etwas in Callahans Blick hatte ihm gesagt, dass die Angelegenheit für ihn noch nicht erledigt war, und dieses Etwas machte ihn nervös. Andererseits sah der narbengesichtige Kerl auf dem Phantombild schon wie ein Verbrecher aus und er selbst war Arzt und lebte in Dublins vornehmster Gegend. Falls Callahan ihn tatsächlich nach wie vor verdächtigte, würde er es damit im Dezernat sicher nicht einfach haben.
Vom Desktop blickte Patrick sich selbst entgegen, mit Tammie auf dem Arm, die damals erst wenige Tage alt gewesen war. Ein Foto, das heile Familie suggerierte und vielleicht genau das sollte. Eine hübsche Fassade, hinter der sich Abenteuer im Sportraum eines Kindergartens abspielten. Patrick mahnte sich selbst zur Ruhe und nahm Platz, wobei er die Zigarette aus dem Fenster hielt. Graces Desktop war so gut wie leer und auch in ihren Dateien konnte er nichts Auffälliges finden. Sie hatte ein paar Fotos abgespeichert,
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