Nebelflut (German Edition)
Erst jetzt entdeckte er, dass das Blut auf dem Wohnzimmerteppich nicht von Chloe, sondern von Nate stammte. Er hatte eine blutende Schnittwunde am Oberarm.
»Hören Sie mir zu …« Brady legte so viel Festigkeit in seine Stimme wie er konnte. »Gemeinsam können wir eine Lösung finden …« Er fragte sich, ob sein Gerede in Nates Ohren genauso leer klang wie in seinen eigenen.
Nate drängte sich an Brady vorbei, wobei er seine kalten Augen starr auf ihn gerichtet hielt. »Lösungen zu finden scheint mir nicht Ihre große Stärke zu sein, Detective McCarthy!«
Noch bevor Brady reagieren konnte, schubste Nate Chloe in seine Richtung, rannte aus dem Schlafzimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Brady gelang es im letzten Augenblick, das Küchenmesser fallen zu lassen und Chloe nicht zu verletzen. Aneinandergeklammert landeten sie neben dem Bett. Mit einem kurzen Blick vergewisserte er sich, dass es ihr gut ging, dann setzte er Nate nach. Doch dieser war bereits verschwunden.
»Verfluchte Scheiße!« Brady vergewisserte sich, dass Nate tatsächlich die Wohnung verlassen hatte, dann schob er das Sofa vor die demolierte Tür, um sie wenigstens notdürftig zu verbarrikadieren. Während er sich versicherte, dass alle Fenster geschlossen waren, rief er Sean an. Er fasste die Geschehnisse in wenigen Sätzen zusammen und bat seinen Partner, einen Krankenwagen her zu schicken. Dann ging er zurück zu Chloe, die in der Ecke kauerte und die Arme um die Knie geschlungen hatte. Sie zitterte und ihre feuchten Augen waren ins Leere gerichtet. Trotzdem schien sie zumindest körperlich in Ordnung zu sein. Der schmale Schnitt an ihrem Hals blutete schon nicht mehr so stark und ihre Wangen nahmen langsam wieder eine natürliche Farbe an.
»Er ist weg.« Brady streckte die Hand nach ihr aus und sie ließ sich in die Arme nehmen. Auch wenn es denkbar war, dass Nate zurückkam, um zu Ende zu bringen was er angefangen hatte, versuchte er gelassen zu wirken. In Wahrheit lauschte er auf jedes noch so kleine Geräusch. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er Seans Stimme hörte. Eine Ewigkeit, in der Brady bewusst wurde, wie wenig Routine er im Polizeidienst hatte.
-72-
»Ich dachte, jetzt ist es vorbei.« Es war das erste Mal seit Nates Übergriff, dass Chloe selbst das Gespräch suchte. Nachdem der Notarzt gegangen war, hatte Sean veranlasst, dass man die Tür zu Bradys Apartment noch in derselben Nacht reparierte. Während sie auf den Hausmeister warteten, hatte Bradys Partner sich von einer ganz neuen, geradezu väterlichen Seite gezeigt. Er hatte dafür gesorgt, dass Chloe ihren geschwollenen Hals mit gefrorenen Erbsen kühlte und so lange beruhigend auf sie eingeredet, bis es ihr wirklich besser zu gehen schien.
Als Brady und Chloe schließlich allein waren, lagen sie eine ganze Weile schweigend nebeneinander im Bett. Brady war froh, dass Sean Chloe nicht als Reporterin erkannt und sie ohne Fragen als Bradys Freundin akzeptiert hatte.
Er drehte den Kopf zu ihr herüber und sah, dass ihre Augen noch geöffnet waren. Behutsam zog er sie an sich und küsste sie auf die Stirn.
»Mach dir keine Sorgen, es wird alles gut.«
»Ich hab geklingelt und mir wurde die Tür aufgedrückt. Ich dachte du wärst es, aber …«
»Ssh, er ist weg. Du bist in Sicherheit.«
»Er war noch nicht fertig mit mir«, wisperte Chloe und der ängstliche Unterton in ihrer Stimme versetzte ihm einen Stich. Er hasste es, dass sie sich fürchtete. Dass dieses Monster sie überlistet und in Bradys Wohnung angegriffen hatte und dass er rein gar nichts hatte tun können. Der Angriff hätte ihn und nicht Chloe treffen sollen.
»Es ging nicht gegen dich persönlich, da bin ich mir sicher. Er wollte mir eine Lektion erteilen und das hat er geschafft. Und falls er hier heute Nacht noch mal auftaucht, erwischt ihn die Streife vor der Tür. Mach dir keine Sorgen.«
»… mache ich nicht.« Sie klang nicht sehr überzeugt. Auch wenn sich Brady andere Umstände gewünscht hätte, hatte er das Gefühl, in diesem Augenblick die wahre Chloe kennenzulernen. Die Frau und nicht die Reporterin.
»Morgen sieht alles schon ganz anders aus. Schlaf ein bisschen.«
»Du auch.«
»Ich bleibe wach.« Auch wenn Brady das Gefühl hatte, dass der Tag schon mindestens achtundvierzig Stunden hatte und jede Zelle seines Körpers nach Ruhe schrie, würde er jetzt ganz sicher nicht schlafen.
»Wirklich?«
»Ja. Wenn irgendetwas ist heute Nacht, wenn du etwas brauchst oder wenn du
Weitere Kostenlose Bücher