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Nebelflut (German Edition)

Nebelflut (German Edition)

Titel: Nebelflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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reden willst …«
    »Ich will nur eins …« Auf einmal richtete Chloe sich auf und ließ sich rittlings auf Brady nieder. Überrascht sah er zu, wie sie das übergroße T-Shirt, das sie von ihm bekommen hatte, über ihren Kopf zog. Brady musterte sie eingehend. Sie war zierlich und ihre Haut ebenmäßig und hell, die Knochen ihres Schlüsselbeins traten leicht hervor. Nach allem, was heute Nacht geschehen war, kam ihm die toughe Reporterin geradezu verletzlich vor, was sie allerdings nur noch anziehender machte. Brady senkte den Blick ein Stück weiter und musste schlucken.
    Chloe lächelte, dann beugte sie sich zu ihm herunter und küsste ihn.

-73-
    Nachdem Patrick gestern beinahe den ganzen Rest des Tages im Gästezimmer verbracht hatte, hatte seine Mutter heute früh entschieden, dass sie alle gemeinsam frühstücken sollten. Das Esszimmer roch nach Bratfett und Patrick versuchte mühsam, ein paar Bissen von der üppigen Mahlzeit herunterzuwürgen. Sein Vater aß mit gewohntem Appetit, seine Mutter hielt sich an einer Tasse Tee fest. Patrick musste sich konzentrieren, um nicht am Tisch einzuschlafen. Er hatte keine Ahnung, warum er so unfassbar müde war. Die Erinnerung an die letzte Nacht entglitt ihm immer wieder wie ein schlüpfriges, kleines Tier, das sich nicht von ihm fangen lassen wollte. Die Blackouts häuften sich und sein Hirn schien ihn förmlich anzuschreien, dass er es mit den Drogen nun wirklich gut sein lassen musste. Auch jetzt, wo er wach war, spielte ihm seine Wahrnehmung Streiche. Immer wieder schweifte er ab in längst vergangene Zeiten, zu Ereignissen, die eigentlich keine Rolle mehr in seinem Leben spielten. Er sah Amy vor sich, damals, vor vielen Jahren. Es war auf einem dieser Familienausflüge gewesen, zu denen seine Eltern ihn als Teenager gezwungen hatten. Sie waren an die Boyne gefahren, zum Picknick mit anschließender Burgbesichtigung.
    »Paddy, steh auf, ich hab Frösche gefunden!«
    »Geh mit deiner Schwester gucken, Patrick. Nicht, dass sie noch ins Wasser fällt.« Seine Eltern waren Fans von Amys Entdeckergeist. Sein Vater war überzeugt, dass sie einmal Forscherin werden würde. Patrick fand das etwas verfrüht. Er selbst hatte mit seinen dreizehn Jahren noch keine Ahnung, was er tun wollte.
    »Paddy«, quengelte Amy.
    Er gab sich einen Ruck, stand auf und warf sich seine Schwester mühelos über die Schulter. »Na los, du Monster.«
    Amy lachte und trommelte mit ihren kleinen Fäusten auf seinen Rücken ein. Am Wasser ging sie in die Knie und wies auf das buschige Schilf, in dem gerade ein langes, grünbraunes Bein verschwand.
    »Hast du ihn gesehen?« Stolz blickte Amy zu ihm auf.
    »So halb. Kannst du einen von denen da raus holen?«
    »Mann, Paddy!« Amy ging in die Knie und begann, das dichte Gras nach Fröschen abzusuchen. Vorsichtshalber hielt er sie fest, damit sie nicht ins Wasser rutschte.
    »Freust du dich auf die Burg?« Wieder blickte er herüber zu dem alten Gemäuer.
    »Nö.«
    Er lachte. »Sagst du das Mum und Dad?«
    »Warum wohnt da keiner mehr?«
    »Naja, weil … weil eben keiner mehr hinter so riesigen Mauern leben will.«
    »Warum nicht?«
    »Weil … damals brauchten die Leute so was, um sicher vor ihren Feinden zu sein. Jetzt gibt es die Polizei, die auf die Menschen aufpasst. Darum versteckt sich keiner mehr in Burgen.«
    »Die Polizei passt auf alle Leute auf?« Amy schien etwas im Schilf entdeckt zu haben. Sie hielt ganz still und spähte auf ihre Hand. »Auch auf uns?«
    »Mum und Dad passen auf sich selber auf und ich pass’ auf dich auf!«
    »Patrick!« Die Stimme seines Vaters wummerte durch seinen Schädel wie ein Presslufthammer. Er schrak auf, sah sich verwirrt im Esszimmer um. »Deine Mutter redet mit dir.«
    »Mum … Entschuldige, ich–«
    »Bist du krank, Paddy?«, wollte sie ganz unvermittelt von ihm wissen.
    »Nein, es geht mir gut.« Wie zum Beweis griff er nach seiner Gabel und schob sich einen weiteren Bissen in den Mund, auch wenn ihm von der puren Konsistenz der Bratkartoffeln übel wurde. Er hatte keine Ahnung, wie lange seine letzte Mahlzeit her war.
    »Du bist ganz blass.«
    »Es geht mir gut. Wirklich.« Er rang sich ein Lächeln ab und erkämpfte sich so ein paar weitere Minuten des Schweigens. Doch die Stimmung blieb getrübt und er wusste, dass das noch nicht alles war. Zwischen seinen Eltern schien die ganze Zeit über eine telepathische Diskussion darum stattzufinden, wer ihn denn jetzt endlich offen ansprach.

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