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Nebelflut (German Edition)

Nebelflut (German Edition)

Titel: Nebelflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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Schlag.
    Sie wollte die Augen aufmachen, aber sie war so müde. Die Stimme gehörte dem Jungen, der nie lächelte. Warum war er sauer? Sie hatte seit Tagen nicht mehr den falschen Namen gesagt und er hatte sie jedes Mal gelobt und ihr ein bisschen Wasser gegeben. Gestern oder vorgestern hatte er ihr Beeren mitgebracht, die süß und sauer zugleich geschmeckt hatten und so saftig waren, dass ihr Magen schon beim Gedanken daran wehtat.
    Das Gitter wurde geöffnet, dann wieder zugeknallt. Amy spürte die Erschütterung in ihren Ketten. »Bitte …« Sie versuchte, die Augen zu öffnen. »Ich bin Albia …«
    Der Junge war auf einmal bei ihr und griff ihr fest in die Haare. »Und ich sage dir, dass du die Schnauze halten sollst!«
    Amy schaffte es, die Lider zu öffnen. Der Junge starrte sie an, seine Augen machten ihr Angst. Dann sah sie das Blut, das viele Blut und den langen, schwarzen Spalt in seiner Wange.
    »Was …«
    »Sie wollte dich hier schmoren lassen, bis du zur Vernunft kommst! Das wäre wahrscheinlich richtig gewesen, aber ich musste ja Mitleid mit dir haben!«
    Amy wusste nicht, was er meinte. Sie wusste nur, dass diese Wunde in seinem Gesicht schlimm, wirklich schlimm war. Der Junge war bleich, seine Hand zitterte. Er musste bestimmt zu einem Arzt. Ihr Daddy war Arzt, er hätte ihm helfen können. Sie wollte es ihm sagen, aber sie konnte nicht. Jedes Wort war so anstrengend.
    »Sie hat es sich schon gedacht, verstehst du? Oben an der verdammten Treppe hat sie auf mich gewartet.«
    Auf einmal verstand Amy. Sie hatte nichts zu essen und zu trinken kriegen dürfen und dann war der Junge mit dem leeren Glas aus dem Keller gekommen. Und seine Hände waren von den Beeren ganz verschmiert gewesen, das hatte sie gesehen. Und jetzt hasste er sie, weil sie Hunger und Durst hatte. Und das Blut strömte sein Gesicht runter, klebrig und nass und schnell wie ein Bach.
    »Du musst …« Sie hustete. Ihr Hals fühlte sich an wie Papier. » … Arzt …«
    »Ich sage dir, was ich muss!« Er ließ sie los und hastete zur Wand. Als er zurückkam, hatte er ein Messer in der Hand. »Mutter hat das Schlachtermesser benutzt, aber hiermit wird es auch gehen, was denkst du?«
    Das war es also. So würde dieser böse Traum enden. Irgendwie hatte sie es geahnt. Irgendwie hatte sie gewusst, dass sie Mum und Dad und Paddy, die Mädchen aus ihrer Klasse, ihr Zimmer und all das nicht wiedersehen würde. Sie machte die Augen zu und glaubte, dass sie weinen würde, aber sie weinte nicht. Sie war so müde. Sie glaubte, dass sie vielleicht einschlafen und träumen würde, während das Blut aus ihr lief wie aus der Wange des Jungen.
    Sie spürte, wie das kalte Messer ihre Haut berührte und hörte ihn atmen, ganz dicht vor sich. Amy kniff die Augen zusammen und wartete auf den Schmerz. Ja, ganz sicher würde sie träumen. Sie würde alle noch einmal wiedersehen, ein letztes Mal, würde noch einmal wissen, wie es zu Hause roch und wie es sich anfühlte, dort zu sein. Und dann würde sie fort sein.

-75-
    Am Morgen fiel es Brady schwer, Chloe allein zu lassen, auch wenn sie den Vorfall von letzter Nacht einigermaßen verwunden zu haben schien. Am liebsten wäre er bei ihr geblieben, doch er hatte einen Mörder zu schnappen, der ihm persönlich viel zu nahe getreten war. Brady hatte Chloe in ein Taxi gesetzt und sich vergewissert, dass ihr niemand folgte. Dann hatte er sich selber auf zur Arbeit gemacht.
    Sean führte immer noch Befragungen durch und Kilian war damit beschäftigt, die Opferfotos durch die Interpol-Datenbank laufen zu lassen, sodass Brady das Büro ganz für sich alleine hatte. Doch so lange das Telefon weiterhin schwieg, konnte er keine Fortschritte machen. Ohne Zeugen keine Verdächtigen, ohne Verdächtige keine Festnahme.
    Es war bereits Nachmittag und Brady bezweifelte längst, dass der Tag noch etwas Gutes mit sich bringen würde, als die Tür auf flog und Kilian ins Büro gestürmt kam. »Ich glaube, ich habe die beiden Toten in der Datenbank gefunden.«
    »Die beiden Toten?«
    Kilian nickte. »In der internationalen Datenbank.«
    »In der internationalen Datenbank«, wiederholte Brady und merkte zu spät, dass er sich wie ein Idiot aufführte. »Ich will … Zeigen Sie sie mir bitte sofort.«
    »Cedric Thompson und Rachel Caldwell«, las Brady die Namen, die sich unter den beiden Farbfotos befanden.
    »Ja. Aber wir bezweifeln, dass sie diese Namen noch benutzen.« Kilian schien ganz in seinem Element, doch Brady konnte

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