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Nebelflut (German Edition)

Nebelflut (German Edition)

Titel: Nebelflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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Sekunden aus den Augen gelassen. Als sie sich wieder umdrehte, war der Junge verschwunden. Man ging davon aus, dass Caldwell und Thompson dahinter stecken, weil die Beschreibung der gestürzten Frau auf Caldwell zutraf. Aber sie konnten nicht aufgespürt werden. Es wird vermutet, dass sie es direkt nach der Entführung geschafft haben, unbemerkt aus den USA auszureisen. Mit dem Jungen.«
    Brady musste die Fülle an Informationen erstmal verarbeiten. Seine Gedanken überschlugen sich. Thompson und Caldwell, Kindesentführer, Nate und Toby Simmon, die tote Amy Namara. Wer wusste schon, wie viele Entführungen und Kindstötungen auf das Konto der beiden gingen?
    »Gibt es Fotos von dem Jungen? Sammy …«
    »Sammy Ray Mercer. Nur eins, von seiner Aufnahme im Heim. Da war er ungefähr drei. Seine Mutter hat ihn vor einem Fast-Food-Restaurant ausgesetzt. Alles, was er dabei hatte, war ein Zettel mit seinem Namen darauf.« Kilian öffnete eine neue Datei und zeigte ihm das Foto eines ernsten, kleinen Jungen mit dunklem Haar und hellen Augen.
    »Er sieht aus wie jedes andere Kind auch …« Brady versuchte krampfhaft, Nate oder Toby in ihm zu erkennen. »Wir sollten versuchen, die Mutter zu kontaktieren. Vielleicht hat sie noch einen Schnuller von Sammy. Irgendetwas, wovon wir die DNA mit der von den beiden Jungs abgleichen können?«
    Kilian schüttelte bedauernd den Kopf. »Jennifer Mercer hat sich damals von einer Brücke gestürzt.«
    »Und der Vater?«
    »Der Vater ist unbekannt.«
    »So ein Mist!« Brady sah seine Chancen schwinden. »Gibt es noch mehr Entführungen, die auf ihr Konto gehen könnten?«
    »Eigentlich jede ungeklärte.«
    »Das heißt … Diese Erkenntnis bringt uns auch nicht wirklich weiter?«
    »Immerhin sind die Toten jetzt identifiziert. Vielleicht können wir damit arbeiten.«
    »Wenn die beiden sich mehr als zwanzig Jahre lang versteckt haben …« Brady schüttelte den Kopf. »Irgendwie werden wir diese Infos nutzen können. Ich weiß nur im Moment noch nicht wie.

-76-
    Patrick schluckte zwei Tabletten und schaffte es, bis zum frühen Abend zu schlafen. Dann stand er auf, nahm eine ausgiebige Dusche und rasierte sich mit dem Rasierer seines Vaters. Anschließend spülte er das restliche Kokain und die Diazepam durchs Klo. Sobald er die Spülung betätigte, bereute er es und gleichzeitig war er froh, endlich diesen Schritt gewagt zu haben. Er musste clean werden, ein für alle Mal. Er konnte nicht länger durch die Leben derer stolpern, die ihm wichtig waren und überall für Probleme und Wut und Tränen sorgen.
    Er verließ das Gästezimmer und lauschte, doch im Haus war alles still. Vielleicht waren seine Eltern fort, vielleicht schliefen sie schon. Er zögerte kurz, dann schlich er zu seinem alten Zimmer und öffnete die Tür, die laut und unheilvoll in den Scharnieren quietschte. Unwillkürlich fragte er sich, wie lange niemand mehr hier drin gewesen war. Er schloss die Tür hinter sich und war wie erschlagen von der Wärme und dem Staub, der wie dichter Rauch in der Luft hing. Das Fenster war schmutzig und ließ nur wenig von dem trüben Abendlicht herein. Er schaltete die Deckenbeleuchtung ein, die erstaunlicherweise noch funktionierte.
    An der Türschwelle verharrte er. Seine Eltern hatten hier nichts verändert, die Möbel standen so da, wie er sie zurückgelassen hatte, als er aufs College gegangen war. Sogar das Übungsskelett, das er von seinem Vater bekommen hatte, befand sich noch an seinem Platz. Ab der neunten Klasse hatte er darauf hingearbeitet, wie Jack Arzt zu werden. Er hatte versucht, seine Eltern stolz zu machen, ihnen durch Leistung zu gefallen. Rückblickend war ihm klar, dass er damit nur sein schlechtes Gewissen hatte beruhigen wollen und dass es ihm nie wirklich gelungen war. Was er getan hatte, war unentschuldbar.
    Patrick ging zum Fenster, um es zu öffnen, und entdeckte die beiden Kisten in der Lücke zwischen Wand und Kleiderschrank. Gesichtslose, braune Umzugskartons, beide mit Klebeband fest verschlossen, beide unbeschriftet – Patrick wusste, was darin war. Er hatte seinen Eltern geholfen, sie zu packen.
    Kurzentschlossen zog er den oberen hervor, stellte ihn aufs Bett und begann, das Klebeband zu lösen. Die Jahre hatten die einzelnen Bahnen miteinander verschmelzen lassen und als er sie abzog, wirbelte vom Pappdeckel des Kartons millimeterdicker Staub auf.
    Patrick riskierte einen Blick auf die Sachen, die seit fast zwanzig Jahren in dem Karton vor sich hin

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