Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
dabei.
Auch der Delinquent erweckte nicht den Eindruck, als wäre er
eingeschüchtert. Der Oberkommissar stutzte, als er Christoph am Schreibtisch
gewahrte. Dann stieß er den Jungen ins Kreuz.
»Das ist unser Obersheriff«, sagte er. »Dies hier«, dabei legte er
dem Jungen die Hand auf die Schulter, »ist unser wahrscheinlich größter Fang
seit Jahren.«
Er angelte in den Tiefen seiner Jeans nach dem Schlüssel und befreite
den Jungen von den Fesseln.
»Das ist Moritz, zwölf Jahre«, erklärte Große Jäger. »Moritz Krempl
aus Garding.«
»Der Sohn der Ärztin?«, fragte Christoph überrascht.
Große Jäger nickte.
Moritz strahlte. »Das war geil«, sagte er. »Wir sind mit dem Smart
hierher. Der wilde Erich hat«, dabei zeigte er auf den Oberkommissar, »das
Blaulicht aufs Dach gesetzt. Mann, die sind alle an die Seite, als wir da
durchgeprescht sind.« Dabei leuchteten seine Augen.
»Ich wollte Moritz zeigen, wie ein Sheriffsoffice in Nordfriesland
von innen aussieht. Wo wir unsere Gefangenen foltern, den Kerker und … Du
weißt schon. Das ist gelebte Staatsbürgerkunde. Und Vorbeugung. Wer das gesehen
hat, hütet sich davor, straffällig zu werden. Besonders bei den als besonders
rau und hart geltenden Marshalls Husums. Oder?«
Er streckte dem Jungen die flache Hand hin, die der abklatschte.
»Erich ist super.«
Erich! So umschrieb Große Jäger häufig seinen Vornamen Wilderich.
»Bis später«, verabschiedete sich der Oberkommissar.
Nach zwanzig Minuten tauchte er wieder auf. »Moritz ist bei den
kleinen Nachwuchspolizisten. Das lag wohl an der Cola, die er zuvor in Mengen
getrunken hat.«
»Du warst mit ihm in deinem Lieblingsrestaurant, das mit den
Hamburgern?«
»Sí. Du hättest sehen sollen, wie der reingehauen hat. Burschen
seines Alters brauchen so etwas.«
»Ich denke, du musst mir etwas erklären«, sagte Christoph.
»Das ist ganz einfach.« Belustigt stellte Christoph fest, dass Große
Jägers Blick durch die Fenster nach draußen Richtung Bahnhof wanderte. »Mir
sind noch ein paar Fragen eingefallen, die ich Heidi Krempl stellen wollte. So
bin ich gestern nach Garding gefahren. Wie der Zufall es wollte, hatte ich noch
etwas Wein im Kofferraum.«
»Du? Wein? Zufällig? Du trinkst doch nur Bier.«
»Nun arbeiten wir schon so lange zusammen, und du kennst mich immer
noch nicht. Also! Ich hatte noch ein paar Fragen. Damit konnte ich dich als
älteren Kollegen doch nicht behelligen. Schließlich brauchst du deine
Ruhezeiten.« Er sah über die Schulter und vergewisserte sich, dass der Junge
noch nicht wiederaufgetaucht war. Dann senkte er die Stimme. »Du glaubst es
nicht. Die haben wirklich kaum etwas zum Beißen. Das war der Heidi –«
»Heidi?«, unterbrach ihn Christoph mit lauerndem Unterton.
»Mensch, du bist doch nicht deine Frau. Lass mich mal zu Wort
kommen. Heidi war es sichtlich peinlich. So sind wir in Garding am Markt eine
Pizza essen gegangen. Und damit du zufrieden bist – dort habe ich Bier
getrunken. Als verantwortungsvoller Polizist habe ich mich danach nicht mehr
ans Steuer gesetzt. Dann ist es etwas später geworden.« Er strich sich über den
Wanst, der über den Gürtel hing und diesen nahezu verdeckte. »Ich habe Muskelkater
an den Bauchmuskeln. Das kommt sicher vom Essen.« Noch einmal sah er den Flur
entlang, bevor er weitersprach. »Später am Abend ist Heidi ein wenig auftaut.
Sie wollte keinen Namen nennen, aber es gibt einen Fall, bei dem zu vermuten
ist, dass Dr. Pferdekamp ein gravierender Fehler unterlaufen ist. Ein
tödlicher Fehler.«
»Das könnte bedeuten, dass ein Hinterbliebener späte Rache an dem
Arzt geübt hat und unsere Vermutung, es gäbe einen Zusammenhang mit den anderen
Taten, falsch ist.«
»So könnte es sein«, stimmte Große Jäger zu und schloss: »Psst.
Moritz kommt.«
»Ich werde jetzt nach Tönning fahren«, erklärte Christoph, »und mit
der Frau sprechen, die sich negativ über Dr. Pferdekamp ausgelassen hat.«
»Was ist mit dem Pferdedoktor?«, fragte Moritz, der den Rest des
Satzes mitbekommen hatte.
»Nichts von Bedeutung«, wiegelte Christoph ab.
»Meine Mam sagt, der hat uns mit seinen Lügengeschichten ganz schön
reingeritten. Dass es uns so mies geht, haben wir nur Pferdekamp zu verdanken.
Mit seinem Gelaber hat er Mams ganze Existenz kaputt gemacht. So ein fieser
Typ. Dabei haben wir ihm gar nichts getan.«
»Deine Mutter ist ziemlich sauer auf ihn«, sagte Christoph.
»Das kannst du wohl sagen. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher