Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
erfasst.«
»Übertreibst du da nicht ein wenig? So viele Verkehrssünder gibt es
nun auch nicht.«
»Hab ich auch nicht gesagt. Trotzdem stehen fast alle in einer
Flensburger Datei. Wer nicht beim Kraftfahrtbundesamt erfasst ist, findet sich
in der Kundendatei von Beate Uhse wieder.«
»Hast du dich auch gefunden?«, fragte Große Jäger.
»Ich habe mich auf das Kraftfahrtbundesamt konzentriert«, erwiderte
Hilke. »Ich wollte dich nicht kompromittieren. Aber zur Sache …«
»Schätzchen«, warf Große Jäger ein.
»Bitte?«, fragte Hilke Hauck irritiert. »Wie hast du mich eben
genannt? Schätzchen?«
»Mann, bist du eingebildet, Tante Hilke. Ich würde doch die Mutter
einer kinderreichen Familie nie als Schätzchen bezeichnen.«
»Im Unterschied zu dir, Onkel, wasche ich meine Ohren täglich.
Also?«
»Es gab einmal einen Film mit Uschi Glas, der hieß ›Zur Sache,
Schätzchen‹«, erklärte Große Jäger.
»Das war deine Generation. So alt bin ich
noch nicht. Bei der Suche nach dem Opel bin ich noch nicht weitergekommen.«
»Herrje«, fluchte Große Jäger gekonnt theatralisch. »Typisch Frau.
Benötigt eine halbe Stunde, um die Kernaussage zu übermitteln.«
»Typisch Mann«, entgegnete Hilke. »Ohne Vorspiel begreift er
nichts.«
Dann wünschten sie sich gegenseitig ein schönes Wochenende.
Christoph fuhr an der ersten Ausfahrt der Bundesstraße, die sie
direkt zur Poggenburgstraße geführt hätte, vorbei. Es herrschte reger Verkehr,
weiter voraus konnte Christoph einen Lkw mit Hänger erkennen, der eine lange
Schlange hinter sich herzog. Anhand der Kennzeichen war ersichtlich, dass sich
unter die Einheimischen mit ihrem Kennzeichen » NF «,
das manch Fremder als »nicht füttern« interpretierte, zahlreiche Fahrzeuge aus
anderen Landesteilen gemischt hatten.
Sie verließen die Umgehungsstraße an der Ausfahrt zur Husumer Messe,
die sich in den letzten Jahren gut entwickelt hatte. Sicher trugen die mutig
realisierten Neubauten und das NordseeCongressCentrum dazu bei, aber auch die
vom mächtigen Nachbarn Hamburg streitig gemachte Position der »Welthauptstadt
der Windenergie«, nachdem man an der Elbe neidisch feststellen musste, dass
sich die Messe »Husum WindEnergy« zur bedeutendsten Veranstaltung dieser
Zukunftstechnologie rund um den Globus entwickelt hatte. In der Hansestadt
vertrat man die Auffassung, die rege kleine Stadt an der Nordsee sei mit diesem
Event überfordert.
Mühsam kämpfte sich die an der Einmündung wartende Schlange Fahrzeug
um Fahrzeug vor, immer wieder gebremst durch den Strom der Autos auf der
Bundesstraße nach Flensburg, der nicht abzureißen schien und nur sporadisch
eine so große Lücke freigab, dass man nach links abbiegen konnte.
»Hier ist noch keiner verhungert«, kommentierte Große Jäger, als
Christoph ungeduldig auf das Warten reagierte.
Schließlich hatten sie diese Stelle überwunden, fuhren durch das
stark frequentierte Gewerbegebiet, in dem sich auch zahlreiche Super- und
Verbrauchermärkte angesiedelt hatten, und passierten die von Große Jäger gern
als »Leberwurstkaserne« bezeichnete Julius-Leber-Kaserne, die zu dieser Zeit
schon in die Wochenendstarre verfallen war und in der das bei drohenden
Sturmfluten und Naturkatastrophen für die Region überlebenswichtige Spezialpionierbataillon
beheimatet war, das Husum bei der Reform zur Verkleinerung der Bundeswehr
erhalten geblieben war.
In der nach dem Reformator Hermann Tast benannten Straße hatte
Adolph Schierling bis zur seinem Umzug in die Seniorenwohnanlage auf Nordstrand
gewohnt. Das Haus lag nur einen Steinwurf von Christophs ehemaliger Unterkunft
in der Berliner Straße entfernt. Schräg gegenüber ragte der Turm der
Versöhnungskirche, der einem Keil glich, gen Himmel. Ein Bäcker bot in der
Nachbarschaft seine Waren an.
Zwischen den Wohnblocks waren Rasenflächen angelegt, die großen
Bäume darauf zeugten davon, dass die gesamte Anlage schon älter war. Das war
auch am Stil der Häuser ersichtlich, selbst wenn sie vor noch nicht allzu
langer Zeit renoviert worden waren. Christoph lächelte, als er mehrere
Teppichklopfstangen entdeckte, ein Relikt aus vergangenen Zeiten, das heute nur
noch selten zu finden war.
Die beiden Beamten mussten an mehreren Türen klingeln und fragen,
bis eine junge Frau salopp sagte: »Fragen Sie mal die Alten unter uns.
Vielleicht kennen die den Typen noch.«
»Hesselbarth«, stand auf dem Namensschild an der Tür. Eine schrille
Klingel erschallte.
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