Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
Schema?«
»Der war zu der Zeit dreiundzwanzig. Und hetero, wie wir wissen.«
»Was ist das für ein Sumpf«, sagte der Oberkommissar. »Ich werde
noch einmal die Meldedaten der beiden Szymaniks prüfen.« Er setzte sich an
seinen Computer und verkündete eine Viertelstunde später das Ergebnis seiner
Recherche. »Hildegard Szymanik war nie verheiratet. Und für ihren Sohn wurde
nie ein Vater benannt.«
Christoph begab sich ebenfalls an die Recherche. Er suchte in allen
zugänglichen Quellen nach Günter Steppujat, der angeblich spurlos verschwunden
war. Er fand nichts.
Große Jäger stand auf. »Ich bin mal am Zingel«, sagte er.
»Was willst du dort? Brötchen essen?«
»Im Rathaus, genau genommen im Sozialzentrum.« Er wedelte mit einem
Aktendeckel. »Es liegt eine Anzeige wegen Körperverletzung vor. Ein
Antragsteller ist gegenüber einem Mitarbeiter handgreiflich geworden. Der
Beamte, es handelt sich offenbar um einen zur Korpulenz neigenden Mann, hatte
dem Antragsteller erklärt, man könne sehr wohl mit zwei Euro und ein bisschen
am Tag für die Ernährung auskommen. Der aufgebrachte Antragsteller hat ihn
daraufhin als ›fettes Schwein‹ beschimpft. Ein Wort gab das andere, bis die
beiden sich schließlich geprügelt haben.« Er strich sich versonnen über seinen
Schmerbauch. »Also ehrlich. Mit zwei Euro käme ich auch nicht hin. Wenn die
Leute da draußen wüssten, mit welchen Themen wir uns parallel beschäftigen
müssen, würden die staunen. Rastelli konnte ja mit einer ganzen Anzahl von
Bällen gleichzeitig jonglieren, aber gegen das, was man von uns erwartet, war
er ein lupenreiner Amateur.«
»Ich bin dann auch mal weg«, sagte Christoph und stand ebenfalls
auf.
»Auf Pilgerfahrt?«
»So ähnlich.« Christoph lachte. »Ich will Jes & Momme Hansen
besuchen.«
»Die Anwaltskanzlei im alten Rathaus. Es geht um die Abmahnung an
Hildegard Szymanik«, riet der Oberkommissar.
Christoph genoss den kurzen Fußweg ins Stadtzentrum. Es war
immer wieder erstaunlich, wie quirlig sich Husum zeigte. Vor der Kulisse der
sehenswerten Bürgerhäuser, die den Markplatz mit dem Tinebrunnen umrahmten,
herrschte ein buntes Treiben. Einheimische, die in dem vielfältigen Angebot der
City ihre Einkäufe tätigten, Bankgeschäften nachgingen oder den kulinarischen
Verlockungen erlagen, mischten sich mit Besuchern, die zwischen Zentrum,
Hafen und Schloss pendelten und nach den ersten Besuchen häufig zu
Wiederholungstätern wurden. Christoph war es nicht anders ergangen. Sein »vorübergehender«
Einsatz in Husum dauerte nun schon acht Jahre, und er konnte sich nicht
vorstellen, diese bemerkenswerte Region mit dem rauen, aber herzlichen
Menschenschlag jemals wieder verlassen zu müssen.
Im Anwaltsbüro im alten Rathaus bedauerte eine Mitarbeiterin, aber
der Senior sei heute nicht im Hause. »Ich kann Ihnen auch keine Telefonnummer
geben«, erklärte sie.
»Wann kehrt Herr Hansen senior zurück?«
Auch diese Frage wollte die Angestellte nicht beantworten, bot
Christoph aber an, dass er mit dem Junior sprechen könne.
Christoph erkannte Momme Hansen, dem er bei seinem ersten Besuch
begegnet war, wieder. Er trug dem Anwalt seine Bitte nach Auskünften über das
im Namen Dr. Pferdekamps gegen Hildegard Szymanik betriebene Verfahren zur
Abgabe einer Unterlassungserklärung vor.
»Der Vorgang ist mir nicht bekannt«, versuchte Hansen Christoph
abzuwimmeln. »Dr. Pferdekamp war lange Jahre Klient meines Vaters.«
»Wann könnte ich mit dem sprechen?«
»Das ist schwierig. Der alte Herr geht auf die neunzig zu. Er ist
nur noch selten in der Kanzlei.«
»Der Vorgang müsste doch dokumentiert sein«, blieb Christoph
hartnäckig.
Momme Hansen zierte sich, bis er nach einer längeren Diskussion
schließlich zum Telefonhörer griff und einen Mitarbeiter anwies, nach der Akte
zu suchen. Es dauerte eine Weile, dann trat ein junges Mädchen ein und reichte
ihm einen verstaubten Aktendeckel.
»Entschuldigung«, sagte sie. »Aber der Vorgang ist fünfzehn Jahre
alt. Wir mussten ihn aus dem Archiv holen.«
»Danke, Wiebke«, sagte der Anwalt. »Einzelheiten müssen Sie hier
nicht vortragen.«
Es war eine Rüge, weil sie eine Zeitangabe gemacht hatte.
Dann öffnete er die Akte, überflog den Inhalt, murmelte etwas
Unverständliches, nickte verstehend mit dem Kopf, klappte die Mappe wieder zu
und sagte mehr zu sich selbst: »Aha.«
»Und?«
»Das fällt unter die anwaltliche Schweigepflicht.«
»Ihr Mandant ist tot«,
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