Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
konnte ihn allerdings nicht abholen, da er –
wie jeden Abend, so versicherte Kevin – betrunken in der Koje lag.«
Christoph war froh, dass die Einbruchserie ein Ende gefunden hatte.
Die Häufigkeit der Taten hatte die Bevölkerung sensibilisiert, und wenn auch
nie eine Bedrohung gegenüber Menschen von den Tätern ausgegangen war, beschlich
die Leute ein Gefühl der Unsicherheit, wenn in ihren geschützten Bereich
eingebrochen wurde.
Von Große Jägers Idee, dem Haus Dr. Pferdekamps einen Besuch
abzustatten, war er allerdings weniger begeistert.
»Das ist rein präventiv«, sagte der Oberkommissar. »Es könnte doch
sein, dass dort eingebrochen wurde. Wir sind doch verpflichtet, Holger
Kruschnickes Eigentum zu schützen, während er sich in stationärer Behandlung
befindet. Dem widerfährt der nächste Psychoschock, wenn er nach Hause kommt.«
»Nein!« Das klang entschlossen.
»Dann nicht«, erwiderte Große Jäger. Das klang beleidigt. Dann
verließ er den Raum und kehrte nach zwei Minuten wieder zurück. Kurz darauf
klingelte sein Handy.
Christoph horchte auf, als er sich ganz formell mit
»Kriminaloberkommissar Große Jäger, Kriminalpolizeistelle Husum« meldete,
mehrmals »Ja – ja – verstehe« sagte und schließlich das Gespräch
beendete. »Manchmal lenkt der liebe Gott persönlich diese Welt«, erklärte er.
»Das war eben ein Anruf. Bei Kruschnicke befindet sich eine fremde Person im
Haus.«
»Und wer hat dich informiert?«
Große Jäger hielt sein Handy in die Höhe.
»Anonym«, sagte er. »Und weil das Gespräch auf meinem Handy ankam,
können wir nicht einmal den Anrufer identifizieren.« Dabei grinste er.
»Dann schicken wir eine Streife vorbei«, erwiderte Christoph.
»Die Kollegen sind wirklich überlastet. Ich fürchte, wir müssen
selbst nachsehen.«
Christoph schüttelte den Kopf und folgte dem Oberkommissar. Er war
auch nicht überrascht, als ihnen auf dem Flur Hilke Hauck hinterherrief:
»Sag mal, Onkel, was war das eben? Muss ich das verstehen? Warum
sollte ich dich anrufen?«
»Frauen!«, sagte Große Jäger nur und beeilte sich, das Dienstgebäude
durch den rückwärtigen Eingang zu verlassen.
Kurz vor dem Erreichen ihres Ziels riet er Christoph: »Vielleicht sollten
wir nicht direkt vor der Tür parken. Ich meine, falls der unliebsame Besucher
noch im Hause ist. Eine Querstraße weiter … das wäre gut.« Als sie das
Wohnhaus erreichten, räusperte er sich. »Du hast Familie. Es ist sicherer, wenn
ich zunächst allein nachsehe.«
Der Oberkommissar ging zur Haustür, kramte in den Tiefen seiner
Jeans, hantierte am Schloss und winkte Christoph, als die Tür aufschwang.
»Da hatte der Anrufer doch recht«, sagte er. »Die Tür war auf.«
Im Flur empfing sie der gleiche muffige Geruch, der Christoph schon
bei ihrem ersten Besuch aufgefallen war. Auch der bedrückende Eindruck und die
düstere Atmosphäre waren geblieben.
»Hier könnte man ohne große Umdekoration ein Remake der
Edgar-Wallace-Krimis aufnehmen«, fasste Große Jäger seinen Eindruck zusammen.
»Pass auf, dass nicht Miss Marple durch eine der Türen kommt.«
»Das war nicht Edgar Wallace, sondern Agatha Christie«, korrigierte
ihn Christoph, während er den Inhalt der kleinen Kommode auf dem Flur
inspizierte. Dort fanden sich nur Handschuhe und Schals.
»Agatha Christie … das war die Schauspielerin, die die Miss
Marple verkörpert hat«, meldete sich Große Jäger aus einem Raum zu Wort.
Christoph verzichtete auf eine Antwort. Für den Oberkommissar
bedeuteten solche Geplänkel nur eine besondere Form der Unterhaltung. Während
Christoph im Wohnzimmer in die Schränke sah, rief Große Jäger aus dem
Hintergrund: »Küche und Abstellkammer sind negativ.«
Das galt auch für die Bibliothek und das Gäste- WC , das sie als Nächstes kontrollierten. Christoph
schmunzelte, als er auf dem Fußboden der Toilette einen Stapel der Zeitschrift
»Mein schöner Garten« und andere Publikationen über Blumen und Pflanzen fand.
»Das hat mich schon bei unserem Besuch verblüfft, dass Kruschnicke
sich für Blumen interessierte. Sieh mal dort.«
Christoph zeigte auf die Fensterbänke, aber auch auf die Anrichte
und die Treppenstufen, die ins Obergeschoss führten. Überall standen Blumentöpfe,
die das Beklemmende des Hauses abmilderten. Er trat näher heran und besah sich
die Pflanzen aus der Nähe. Nirgendwo war ein welkes Blatt zu entdecken.
»Jemand, der so sorgfältig seine Blumen umsorgt, erscheint
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