Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
Gießen und
Marburg Medizin studiert. Sie fanden nicht nur das Reifezeugnis, sondern auch
die Approbationsurkunde.
Die erste Anstellung hatte Dr. Pferdekamp für zwei Jahre im
Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster als Assistenzarzt in der Inneren
Abteilung gefunden.
»Hier ist es«, sagte Christoph, und es klang erleichtert. Damit
schloss sich der Kreis.
»Donnerwetter«, stimmte Große Jäger zu. »Darauf hätten wir früher
kommen können.« Er sah Christoph an. »Das behalten wir für uns. Das sollte niemand
erfahren.«
Der Oberkommissar hatte recht, dachte Christoph. Das Naheliegende
wird oft übersehen.
»Warum hat uns die Frau vom Landkreis das nicht gesagt?«, schimpfte
Große Jäger.
»Wir haben nicht danach gefragt. Vermutlich sind die Unterlagen auch
mit der Kreisreform ins Archiv abgelegt und dort vergessen worden. Und jetzt
stellt man Überlegungen an, eine erneute Kreisreform durchzuführen.«
»Dann tauchen die nächsten Probleme der Art auf, mit denen wir uns
derzeit auseinandersetzen.«
»Hoffentlich nicht«, erklärte Christoph. »Vielleicht hatte sich Dr.
Pferdekamp als Folge der Kreisreform als Arzt in Garding niedergelassen, da
nach der Auflösung des alten Kreises Eiderstedt die Stelle des Amtsarztes in
Tönning entfiel. Das erklärte den Zusammenhang zwischen den Beteiligten. Als
Amtsarzt musste Dr. Pferdekamp von den Vorkommnissen im St.-Josef-Heim
gewusst haben.«
Gewusst? War es denkbar, dass er selbst in unlautere Machenschaften
verwickelt gewesen war? Sie waren nie auf die Spur einer Frau im Leben des Arztes
gestoßen. Und seine Aversion gegen Heidi Krempl? Hatte sie doch daher gerührt,
dass sie eine Frau war?
»Hildegard Szymanik hat im Kinderheim als Putzfrau und Küchenhilfe
gearbeitet. Ob sie etwas über Dr. Pferdekamp aus der damaligen Zeit
wusste?«, fragte Große Jäger.
»Das Wissen darum würde uns weiterhelfen«, erwiderte Christoph. »Was
ist damals geschehen?«, sagte er leise und nachdenklich.
Christoph war unzufrieden, dass sie nicht in gewünschter Weise
vorankamen. Jede Spur, der sie folgten, schien im Nirwana zu enden. Und die
anderen Aufgaben, die ihm als kommissarischer Leiter der Dienststelle zufielen,
lenkten ihn auch nur unzureichend von seiner Unzufriedenheit ab.
Kommissarischer Leiter! Seit acht Jahren war er jetzt in Husum und
nahm die Dienstgeschäfte wahr. Die Position war die eines Beamten des höheren
Dienstes. Deshalb war er nur »vorübergehend« mit der Führung beauftragt. Im
Stillen hoffte er, dass dieser Zustand bis zu seiner Pensionierung erhalten
bliebe.
Dann war allerdings fraglich, wie es weitergehen würde.
Kriminaldirektor Nathusius war versetzt worden, und die Polizeidirektion Husum
wurde in Personalunion vom Leiter der Flensburger Direktion mit verantwortet.
Der ließ sich vor Ort von einem Polizeioberrat vertreten. Irgendwann, so befürchtete
Christoph insgeheim, würde man die beiden Direktionen zusammenlegen und Husum
von Flensburg aus »fernlenken«.
Der Empfang meldete sich und kündigte einen Besucher an, der nur mit
Christoph sprechen wollte. »Mit dem Mann von dieser Karte«, hatte der
Mitarbeiter vom Empfang gesagt.
»Welche Karte?«
»Der Besucher hat Ihre Visitenkarte. Ziemlich zerknautscht«, hatte
der Beamte leise angefügt.
Kurz darauf klopfte es, und nach Große Jägers donnerndem »Herein«
öffnete sich die Tür, und ein dunkelhaariger Mann steckte seinen Kopf
vorsichtig durch den Spalt herein.
»Moin, Herr Gönil«, begrüßte Christoph den Nachbarn Wolfgang
Hohenhausens aus der Adolf-Brütt-Straße.
»Gönul«, korrigierte ihn der schnauzbärtige Mann mit den dunklen
Augen. Er stand immer noch unsicher im Türrahmen. Erst nach Aufforderung nahm
er Christoph gegenüber Platz und rückte demonstrativ ein Stück zur Seite, als
Große Jäger sich dazugesellte.
Gönul drehte verlegen die zusammengerollte Visitenkarte in der Hand.
Dann hielt er sie hoch.
»Ich habe nachgedacht«, begann er. »Wegen der Frau, die wo Sie nach
gefragt haben. Der blonden mit dem alten Fiesta.«
»War es wirklich ein Fiesta? Oder könnte es ein alter Opel gewesen
sein?«, mischte sich Große Jäger ein.
Gönul funkelte ihn beinahe böse an. »Eh, Mann, was soll das? Glaubst
du, ich versteh nix von Autos? Ich reparier dir alles. Alles!«, schob er betont
hinterher. »Und ich bin günstiger als jede Werkstatt. Musst nur Bescheid
sagen.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Nee, nix da. Von Autos versteh ich was.
Und von
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