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Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Titel: Nebelfront - Hinterm Deich Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Schierling los.«
    »Das war Notwehr.«
    »Ja. Sicher. Vonseiten Schierlings. Das hat der Knabe verdient
gehabt. Pahh!« Sie lachte mit ihrer heiseren Stimme auf. »Der konnte nichts ab,
der elternlose Bastard. Da wusste ja keiner, wie der überhaupt entstanden ist.
Gejammert hat der. Wollte sich gar nicht wieder beruhigen.«
    »Er ist von Schierling schwer verletzt worden.«
    »Zunächst Schierling, dann Hohenhausen«, korrigierte sie.
    Christoph schüttelte sich innerlich, als er sah, wie teilnahmslos
die alte Frau von den Opfern sprach.
    »Hätten Sie es nicht als Ihre Pflicht ansehen müssen, rechtzeitig
einen Arzt zu rufen?«
    »Sind Sie verrückt? Einen Arzt? Was hätte der gemacht? Der hätte den
Lump ins Krankenhaus bringen lassen. Dann wäre doch alles aufgeflogen. Wir alle
wären ruiniert gewesen, wenn eine Untersuchungskommission ins Haus gekommen
wäre. Wir hätten alle Ansehen und Stellung verloren. Womöglich auch noch der
Pferdekamp. Das war ein junger, unerfahrener Arzt. Der wusste doch gar nicht,
was los war. Ein Weichei. Als der dahintergestiegen war, haben wir ihm drohen
müssen, dass wir erzählen, er sei eingeweiht gewesen. Er hat bei seinen
Besuchen im Heim doch gesehen, dass die Jungen mit Schlägen erzogen wurden. Er
hätte seine Approbation verloren. Darum hat er geschwiegen. Und außerdem hat er
sich einen der kleinen Verbrecher ins Haus geholt.«
    »Holger Kruschnicke«, warf Große Jäger ein.
    Sie kicherte wieder einmal in einer widerlichen Art. »Er wollte
damit seine Versäumnisse wiedergutmachen, sein Schweigen und seine Untätigkeit.
Damals. Der Trottel war dreißig Jahre lang bemüht, dem Kruschnicke die
angeblich verlorene Kindheit zu ersetzen. Und? Was war der Erfolg? Der
Kruschnicke ist ballaballa.« Sie bewegte die spindeldürre Greisenhand in einer
Wischbewegung vor ihrem Gesicht hin und her.
    Was waren das für Menschen, überlegte Christoph. Es war unfassbar,
wie Schierling und Hohenhausen ein nach außen scheinbar unauffälliges
bürgerliches Leben weiterleben konnten. Ohne jede Gewissensbisse. Nur der Arzt
schien unter den Geschehnissen gelitten zu haben.
    »Was ist mit Günter Steppujat geschehen?«, stellte Große Jäger die
entscheidende Frage.
    »Ich habe ihn mir irgendwann angesehen. Der hatte ordentlich etwas
abbekommen. Er röchelte nur noch. Vielleicht haben die beiden Männer zu heftig
zugeschlagen. Aber das hatte er doch verdient. Da war die Sache mit dem
Messer.«
    »Wo ist Günter Steppujat?« Große Jäger war laut geworden.
    »Den gibt es nicht mehr. Den werden Sie nicht mehr finden.
Schierling und Hohenhausen haben ihn irgendwo verscharrt. Außer den beiden
kannte keiner den Ort. Nach vierzig Jahren ist nichts mehr von ihm übrig. Und
die Einzigen, die wussten, wo er geblieben ist, sind tot.«
    »Habe ich Sie richtig verstanden? Günter Steppujat ist an seinen
Verletzungen verstorben? Und Sie haben zugesehen, wie das Kind gelitten hat?«
    Erneut war das schreckliche Kichern zu hören. »Ich bin doch kein
Barbar. Ich habe ihn von seinem Leiden erlöst. Er hätte sich ohnehin nicht
wieder erholt. Da lief ständig Blut aus Mund und Ohren.«
    Die beiden Beamten waren fassungslos.
    »Das macht man mit kranken Tieren doch auch«, schob die alte Frau
nach.
    Christoph hatte Mühe, sich zu beherrschen. Es kostete ihn unendliche
Überwindung, weiter ruhig und sachlich zu bleiben. Er hatte schon zahlreichen
Mördern und Verbrechern gegenübergesessen. Aber noch nie einem solchen Teufel.
    »Ich habe ihm mit einem Wischlappen Mund und Nase zugehalten, bis er
sich nicht mehr rührte. Dann habe ich den Puls gefühlt und ihm die Augen
zugedrückt«, erzählte Josefa Wendelstein ohne sichtliche Regung. Noch einmal
erklang das schaurige Kichern. »Sie kommen zu spät. Das alles ist verjährt«,
erklärte sie selbstsicher.
    »Irrtum«, sagte Christoph. »Wir werden Ihnen Mord aus niederen
Beweggründen nachweisen. Mord verjährt nie.«
    »Das war Totschlag«, erklärte sie ruhig. »Und wenn jemand zu einem
anderen Schluss kommt, macht das auch nichts. Ich bin einundneunzig. In diesem
Alter steckt man niemanden mehr ins Gefängnis.«
    Christoph erinnerte sich an Hildegard Szymaniks Aussage, dass sie
gehört haben wollte, dass Schierling und Hohenhausen gesagt hatten, Josefa
Wendelsteins Hilfe würde teuer werden. Er sprach diesen Verdacht aus.
    Sie versuchte ein Lächeln, das zu einer ekelhaften Fratze missriet.
»Dieses Haus hier … Das haben Schierling und Hohenhausen

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