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Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Titel: Nebelfront - Hinterm Deich Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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erzählen.
    »Das, was Ihnen auf der Seele brennt.« Zu den beiden Beamten
gewandt, erklärte er: »Ich schlage vor, Sie unterbrechen nicht mit Fragen.«
    Buschinski nahm einen Schluck aus dem Becher, den er in der Hand
drehte. Dem Geruch nach vermutete Christoph, dass es sich um Kamillentee
handelte.
    »Wir haben … gestern …«, begann der Mann, und brach ab.
Erneut trank er von seinem Tee. »Also gestern, als Holger …«
    »Wir sprachen über Ihren Freund Günter, dem Sie nicht helfen
konnten«, unterstützte ihn Große Jäger.
    Christoph befürchtete eine Maßregelung des Arztes, aber die blieb
aus. Dr. Jamali hatte auch bemerkt, dass der Oberkommissar helfen wollte.
    »Der Günter, also, wir waren befreundet«, begann Buschinski
stockend. »Echte Kumpels, wie man das in dem Alter eben sein kann. Wo waren wir
gestern stehen geblieben?« Hilfesuchend sah er Große Jäger an.
    »Günter war in der Abstellkammer eingesperrt und wimmerte.«
    »Ach ja. Wir hörten ihn nur. Er musste fürchterliche Schläge
eingesteckt haben. Wir alle kannten es ja, wenn Hohenhausen zuschlug. Aber das
muss schlimmer gewesen sein als alles, was wir selbst je durchleben mussten.«
    Christoph sah den Doktor an. Als der nickte, unterbrach er mit einer
Zwischenfrage.
    »Wer hatte Günter so zugerichtet? Hohenhausen oder Schierling?«
    »Ich weiß es nicht. Keiner von uns wusste es. Der Schläger war
Hohenhausen. Schierling mit seiner abartigen Neigung hat andere Methoden
angewandt.« Ein Schauder durchlief den Mann bei der Erinnerung. »Das Wimmern
wurde immer leiser.«
    »Hat jemand nach dem schwer verletzten Jungen gesehen?«, fragte
Christoph trotz des Schweigegebots des Arztes.
    »Ich weiß es nicht.« Buschinski zuckte mit seinen schmalen Schultern.
Christoph warf Kruschnicke einen Seitenblick zu. Der saß mit teilnahmslosem
Gesicht dabei. Es wirkte, als würde er gar nicht an dieser Sitzung teilnehmen.
    »Es wäre doch geboten gewesen, einen Arzt zu holen.«
    Buschinski wischte sich mit der Hand übers Gesicht. »Über so etwas
haben wir Jungs nicht nachgedacht. Ich glaube, irgendwann ist auch der Arzt
gekommen.«
    »Dr. Pferdekamp?«, fragte Christoph.
    Buschinski nickte. Bei der Nennung des Namens blickte Kruschnicke
auf. Es wirkte, als wäre er aus einem Trancezustand erwacht, als er das
Signalwort hörte.
    »Warum hat Dr. Pferdekamp dem Jungen nicht geholfen?«
    »Das kann Ihnen keiner sagen.«
    »Wissen Sie das? Haben Sie jemals darüber gesprochen?«, wandte sich
Christoph an Holger Kruschnicke.
    »Was? Wie?«
    Christoph wiederholte seine Frage.
    »Dr. Pferdekamp war ein guter Mensch«, erwiderte Kruschnicke.
»Ein guter Mensch.«
    »Was hat Dr. Pferdekamp in Sachen Günter Steppujat
unternommen?« Christophs Stimme wurde eindringlicher.
    Dr. Jamali hob den Zeigefinger. »Bitte!«, sagte er mahnend.
    »Was ist dann geschehen?«
    »Nichts.« Peter Buschinski hatte wieder das Antworten übernommen.
Alle sahen Kruschnicke an, der mühsam versuchte, das Zittern seiner Finger zu
verbergen.
    »Nichts ist passiert. Plötzlich war das Wimmern in der Kammer
verstummt. Danach haben wir Günter nie wiedergesehen.«
    »Wurde unter den Jungs darüber spekuliert, was geschehen war?«,
wollte Christoph wissen.
    »Wir waren neun, zehn Jahre alt. Da denkt man anders. Und niemand
hat gewagt, etwas zu sagen oder gar zu fragen. Wir wussten, was uns geschehen
wäre, hätten wir den Mund aufgemacht. Das war purer Selbstschutz.«
    Er schluckte heftig und wischte sich mit dem Handrücken die feuchten
Augen aus. Dann brachen alle Dämme. Peter Buschinski wurde von einem heftigen
Weinkrampf geschüttelt. Er bewegte den Oberkörper auf und ab, die gefalteten
Hände schlugen auf die Tischplatte auf, der Speichel lief ihm aus den
Mundwinkeln und troff unkontrolliert herab. Nur mit Mühe war zu verstehen, dass
er in das Luftholen und Heulen immer wieder »Diese Schweine« über die Lippen
presste. Dann ging alles in ein Keuchen über.
    Holger Kruschnicke hatte sich anstecken lassen. Er zitterte am
ganzen Körper. In Buschinskis Weinkrampf hinein war das Aufeinanderschlagen
seiner Zähne zu hören.
    Dr. Jamali war aufgesprungen.
    »Es reicht«, sagte er und wedelte mit der Hand Richtung Tür.
    Der Arzt hatte recht. Den beiden Patienten war mit dem Wecken der
Erinnerung Unmenschliches zugemutet worden.
    Große Jäger legte vorsichtig seine Hand auf Buschinskis Schulter.
    »Danke«, sagte er leise.
    Christoph war sich nicht sicher, ob der

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