Nebelgrab (German Edition)
plötzlichen Tod? Was für ein Buch hat er geschrieben? Wird es nun posthum herausgebracht? Junge, du bist Reporter, also recherchiere!«
»Ich hab Skrupel.«
»Skrupel?« Sie schrie fast. Erregt stand sie auf und fing an, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Adrian, du bist gerade dabei, mir die Nacht zu versauen – schreib das verdammte Ding!«
»Der Professor kannte aber meine Tante.«
»Ja wunderbar!« Ihre Stimme nahm die Färbung einer verstimmten Sirene an. »Dann kannst du ja gleich deine Tante fragen, was sie über den Alten zu erzählen weiß!«
»Hab ich schon, da kommt nicht viel.«
»Adrian, du klingst wie ein gelangweiltes Muttersöhnchen. Mir reicht’s! Komm zur Besinnung! Aber wenn du nicht zu Potte kommen willst, dann … ach, leck mich doch!« Sie drückte auf Aus und warf das Handy in den Schrank.
Tief durchatmend wandte sie sich dem mittlerweile ganz nackten Mann auf der Couch zu.
Sonntagmorgen bei Karla
»Bist du’s?«, rief Martin Hecker, als er die Haustür hörte. Im Morgenmantel kam er in den Flur.
»Ja, natürlich, oder erwartest du noch jemand anderen?« Karla gab ihrem Mann einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
»Du hast viel zu tun, hm?«, fragte Martin.
»Das weißt du doch. Eine Geschichte jagt die andere, so muss es sein.«
»Manchmal wünscht man sich, es wäre anders.«
Martin sah müde aus, bemerkte Karla. Sie schaute ihn intensiver an. Irgendetwas war anders.
Er sagte: »Konrad ist tot.«
Sie trat zu ihm und strich ihm mit der Hand über die Wange. »Ich weiß, hab schon davon gehört – eine furchtbare Sache. Aber jetzt werden wir erst recht über sein Buch schreiben!«
»Du hast jemanden darauf angesetzt?« Martin hatte feuchte Augen.
»Sicher. Das war es doch, was du wolltest, oder?«
»Ja, als er noch lebte.« Er wischte sich kurz über die Augen. »Du musst sicher gleich wieder weg, so wie ich dich kenne?«
»Ja«, antwortete Karla, »ich zieh mich rasch um, trink einen Kaffee und dann bin ich wieder in der Redaktion. Bei einem Ein-Frau-Betrieb bleibt mir nichts anderes übrig.« Sie lächelte vage.
»Du solltest dir jemanden suchen, den du fest einstellen kannst. Du bist schließlich auch nicht mehr die Jüngste.« Martin wandte sich zur Küche und sagte noch: »Kaffee ist fertig, so wie immer.«
Sonntagmorgen bei Adrian
Trotz des Kaffees war Adrian schließlich angezogen und immer noch unentschlossen auf der Couch eingeschlafen, bis am nächsten Morgen, sehr früh für einen Sonntag, das Telefon klingelte. Es war sein Vater. Er teilte ihm Marthas Tod mit.
Er verstand erst nicht, was sein Vater ihm sagen wollte, bis sich dessen Sätze in Adrians verschlafenes Gehirn bohrten.
Eine Menge Fragezeichen bohrten sich ebenso in die Gehirnwindungen, als er die Umstände des Todes erfuhr.
»Ich hab sie doch noch besucht«, war das einzige, was er dazu sagen konnte.
»Kommst du zur Beerdigung?«, musste sein Vater ihn dreimal fragen, bevor Adrian reagierte. »Warum?«
»Was, warum?«
»Warum soll ich hinkommen? Tot ist tot, oder?« »Adrian!«
»Was?«
»Hab ich dir etwa keinen Respekt vor den Toten beigebracht? Dass man sich verabschiedet und die letzte Ehre erweist? Junge, was ist los mit dir?«
»Nichts«, antwortete Adrian in bemüht unbekümmertem Ton, »Tante Martha würde mich verstehen. Ich glaube, ich bin aus demselben Holz geschnitzt wie sie.«
»Wirst du da sein?« Sein Vater überging den Einwurf.
»Ja, sicher. Sag mir Bescheid.« Adrians Blick richtete sich wie gefesselt auf den Papierstapel, auf dem das schwarze Büchlein lag. »Was ist mit Wiedener?«, fragte er in einem Tonfall, als wollte er die Frage an niemand Bestimmtes richten.
»Der Professor?«, fragte der Vater.
»Ja, Martha kannte ihn.«
»Ich denke, es ist ein Zufall, dass sie beide so kurz hintereinander gestorben sind.«
»Zufall? Zwei tote Senioren. Beide lebten in der Bergstraße. Sie kannten sich. Sie sterben am selben Wochenende unter äußerst merkwürdigen Umständen. Dass da was nicht mit rechten Dingen zugeht, liegt ja wohl auf der Hand! Oder glaubst du, Wiedener hätte sich selbst den Kopf abgeschnitten? Ach ja, und Tante Martha hat sich wahrscheinlich auch mit Absicht den Kopf eingeschlagen und anschließend Feuer gelegt!«
»Lass den Sarkasmus, Adrian!«
»’tschuldige, Papa, war nicht so gemeint.«
»Und woher weißt du das alles? Das mit
Wiedener?«
»Ich, äh, hab das gehört – du weißt doch, wir Zeitungsleute haben
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