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Nebelgrab (German Edition)

Nebelgrab (German Edition)

Titel: Nebelgrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Klein
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ist das für eine Tasche? Und warum kratzt du dir das Ohr? Das tust du immer dann, wenn dir nicht wohl ist.«
    »Sophie hat recht!« Hubert sprang erstaunlich flink hinzu und drückte die Tür vor Sophie auf, um sie mit demütiger Verbeugung als Erste eintreten zu lassen. Sie bedankte sich mit einem höfischen Knicks und ging kichernd in den Hausflur. Laut aufseufzend folgte Lene den beiden jungen Leuten.
    Der Zwischenfall mit dem Soldaten war schnell erzählt, und Lene spürte mit jedem Wort ein wenig Erleichterung, fast wie bei einer Beichte. Sie teilte das Geheimnis und damit auch die Entscheidung über alles Weitere.
    »Wir öffnen die Tasche – das ist doch selbstverständlich«, sagte Hubert in inbrünstigem Bariton.
    »Hubert, bitte, wer weiß, was sie enthält! Vielleicht ist es ein Geheimnis, das uns die Gestapo auf den Hals hetzt.«
    »Aber Lene, wenn du das annimmst, warum bringst du die Tasche dann nach Hause?«
    Sophie schaltete sich ein. »Wenn etwas Gefährliches darin ist, werden wir die Tasche verschwinden lassen. Ihr habt doch dieses Loch in der Wand beim Kohlenkeller …«
    »Meint ihr wirklich?« Lene, die mit den anderen wie bei einer Verschwörung im Halbkreis um die Tasche stand, ging in die Knie und starrte auf den Adler, als könnte er ihr sagen, was sie tun solle. Dann griff sie langsam nach den Henkeln und nestelte am Verschluss herum. Alle drei hielten wie auf Kommando den Atem an.
    »Ich bekomme sie nicht auf. Damit ist es entschieden, wir öffnen sie nicht.« Mit Schweiß auf der Stirn richtete Lene sich wieder auf und zuckte die Schultern. »Es soll nicht sein.«
    »Doch, soll es!« Hubert reichte ihr eine Schneiderschere, die er von der Nähmaschine seiner Mutter geholt hatte. »Hier, damit wird es gehen.« Zögernd ergriff Lene das Instrument und stocherte mit der Spitze an dem Verschluss. Nach wenigen Sekunden schnappte das metallene Schloss auf; mit erneut angehaltenem Atem drückte Lene die Taschenhälften auseinander …
    1944 Die Fundstücke
    Lene überwand den Widerstand, den die Tasche bot, bis die Hälften über die Spannung hinaus von selber aufsprangen. Sie atmete als Erste wieder aus und sagte: »Gut, noch können wir zurück, noch haben wir nichts gesehen.«
    Hubert und Sophie, die ihre Köpfe dicht neben ihrem über der Tasche hielten, nickten, und Hubert bestätigte: »Ja, bis auf einen Holzkasten und einen Samtbeutel haben wir nichts gesehen, aber es wäre eine Schande, diese Dinge nicht hervorzuholen.«
    Er streckte eine Hand aus, um in die Tiefe des Gepäckstückes zu greifen. Da erklangen Schritte auf dem Gartenweg. Erschrocken hielt er inne und Lene klappte reflexartig die Tasche zu, sodass Huberts Hand eingeklemmt wurde. Mit einem unterdrückten Schmerzenslaut und funkelndem Blick zog er seine Hand heraus. Es klopfte. Lene schob die Tasche unter die Flurkonsole, erhob sich und strich sich die Haare aus der verschwitzten Stirn. Es klopfte erneut, dann rief eine helle Stimme: »Lene, bist du da? Im Pensionat haben sie mir gesagt, du seiest nach Hause gegangen! – Hubert? Lene?«
    Im Haus war entspanntes Ausatmen zu hören. Hubert, der seine Hand mit einem Aufseufzen schüttelte, öffnete, da er der Älteste und im Augenblick auch der Hausherr war, die Tür.
    »Guten Tag, Martha, komm herein, wir sind alle hier.«
    Hubert schloss die Tür, jedoch nicht, ohne zuvor einen Blick nach draußen zu werfen, wo zu seiner Beruhigung niemand Notiz von diesem Haus nahm. Sophie und Lene zogen Martha an den Händen in den hinteren Teil des Flures und überfielen sie mit den Neuigkeiten. Als diese im Bilde war, sagte sie: »Ja, und? Dann öffnen wir doch die Behälter!«
    Martha, im gleichen Alter wie Lene und Sophie, hatte den Sinn fürs Praktische. Langes Herumreden war ihr zuwider. Den Dingen auf den Grund zu gehen, um die Neugierde zu stillen, war für sie stets die logische Konsequenz auf offene Fragen, auch wenn es manchmal unbequem oder ungewiss bis unsicher war. Oder auch Ängste auslöste. Tatenlosigkeit oder die gesteigerte Form davon, nämlich Herumlungern und in den Tag hinein leben, was Hubert in diesen Monaten oft praktizierte, mochte sie nicht.
    Dass Hubert keine Beschäftigung hatte, machte Martha nervös, was sie auch des Öfteren verlautbarte. Der Freund schäkerte den ganzen Tag mit den Frauen und lag seinen Eltern auf der Tasche. Hin und wieder verrichtete er Schreibarbeiten und versah leichte Botendienste, aber seit sein Vater seinen Kolonialwarenladen mit

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