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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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»Mein Verstand sagt mir, dass dieser Junge für die Malkuda von großem Wert ist! Ich habe ihn den Klauen der Goldei entrissen, und bevor ich ihn Euch übergebe, will ich den Anteil, die Belohnung, die mir zusteht.«
    Die Zauberin legte langsam ihre Hand auf die seine. »Und was, glaubt Ihr, steht Euch als Belohnung zu, wenn Ihr mir den Jungen aushändigt?«
    Cercinor stieß sie zurück. »Ich fordere von der Malkuda magischen Beistand bei der Eroberung Surgissas. Malcoran soll mir zwanzig Zauberer schicken, die sich meinem Befehl fügen. Mit ihrer Hilfe werden wir stark genug sein, um Surgissa zu befreien.«
    Die Zauberin schüttelte den Kopf. »Die Malkuda kann in diesen Tagen niemanden entbehren. Oors Caundis muss sich gegen die Goldei verteidigen, falls diese es wagen sollten, die Logenburg anzugreifen.« »Die Entscheidung liegt bei Euch, Zauberin«, erwiderte Cercinor. »Ich bin fest entschlossen, Surgissa zurückzuerobern - mit oder ohne Eure Hilfe.« Er wandte sich ab. »Der Junge wird so lange in meiner Obhut bleiben, bis die Loge zur Besinnung kommt und sich endlich zum Rochenland bekennt. Es wird Zeit, dass Ihr die Zeche bezahlt! Es wird Zeit, dass Ihr denen, die Ihr so lange ausgebeutet habt, Eure Dankbarkeit zeigt.« Die Zauberin musterte ihn nachdenklich. Dann, nach einem kurzen Augenblick des Schweigens, hob sie vorsichtig an: »Der Junge ist für uns zu wichtig, als dass wir ihn in Euren Händen lassen könnten. Wir werden Euch bei der Befreiung Surgissas zur Seite stehen. Doch es muss bald geschehen, Cercinor, noch bevor die Goldei mit der Belagerung von Oors Caundis beginnen. Danach kann Euch die Malkuda nicht mehr helfen.« Cercinor nickte grimmig. »Ich werde keine Zeit verlieren. Schon jetzt erkunden meine Gefährten die Lage in Surgissa. Es werden keine sechs Tage vergehen, bis die Stadt uns gehört.« Er ergriff die Hand der Zauberin. »Und jetzt folgt mir! Ich werde Euch zu dem Jungen führen. Vielleicht werdet Ihr aus seinem Gerede schlau.« Stumm ragten die verkohlten Balken aus der Asche, standen stumm und schwarz als letzte Überbleibsel des Hauses, das sie einst gestützt hatten. Sie gemahnten der Flammen, die sich durch das Gebälk von Stockwerk zu Stockwerk gefressen und nichts als schlierig weißen Staub zurückgelassen hatten, aus dem bereits die ersten Triebe der Nesseln und Dotterblumen hervorbrachen; gieriges Unkraut, vom Arkwald gesät, um das im Feuer verendete Haus zu Grabe zu tragen.
    Längst waren die Flammen über Surgissa erloschen. Statt Rauch wehte nun aufgewirbelte Asche über den Ruinen der ausgebrannten Häuser. Das Feuer hatte zahlreiche Narben in die Straßenzüge der Stadt gerissen, überall dort, wo Surgissas Bewohner sich den Echsen entgegengestellt hatten.
    Surgissa war eine aus dem Wald geborene, eine mit dem Wald verschmolzene Stadt. Die meisten Gebäude waren aus Holz erbaut; manche standen auf Lichtungen und Rodungen, andere ragten im Schatten der Bäume bis zu ihren Wipfeln empor, schmiegten sich an die breiten Stämme oder waren mit ihnen verwachsen. Es gab in Surgissa keinen Ort, von dem aus sich die gesamte Ausdehnung der Stadt überblicken ließ. Selbst vom Turm der Burg Andelor, des höchsten Gebäudes der Stadt, konnte man nur zwei oder drei Acker weit sehen. Der Großteil Surgissas blieb im Dickicht des Waldes verborgen.
    Surgissas Wege waren schmal und uneben; spanbestreute Pfade, die sich zwischen den Häuserzeilen entlang wanden. Um diese Jahreszeit waren sie kaum unter dem Laub zu erkennen, unter den vom Regen aufgedunsenen Blättern, deren fauliger Geruch die Luft erfüllte.
    Es herrschte eine unheilvolle Stille in der Stadt. Nur vereinzelt erklangen hastige Schritte auf den Wegen, und verängstigte Bewohner stahlen sich aus den Schatten der Bäume, die Blicke gesenkt, sichtlich bemüht, kein Aufsehen zu erregen. Kein Geschrei, kein Lachen drang aus den Häusern. Die sonst so ameisengleiche Stadt war wie ausgestorben. Gelegentlich trug der Wind die Rufe der Stadtgardisten durch die Straßen, bellende Befehle, die dann von scharfen Luftstößen jäh abgeschnitten wurden.
    An einem Baumstamm in der Nähe des ausgebrannten Hauses lehnte ein Stadtgardist. Er nestelte an seinem Umhang, legte den Kopf zurück, schloss die Augen und horchte, wie seine Lederhaube gegen die Baumrinde scharrte. Sein Auftrag war es, den Pfad zu bewachen, der aus der Stadt südwärts in den Arkwald führte. Seit Stunden schon stand er auf seinem Wachposten, hatte Bauern und

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