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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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lange nicht ausgestanden?«
    »Im Gegenteil, das geht erst noch richtig los! Aber wir sind bereit!«, Johannes sah auf die Uhr und erhob sich. »Schorsch, ich muss wieder! Der Linus fährt mir sonst mit dem Traktor das ganze Feld kaputt. Trinken wir heut Abend einen zusammen? Ich hab einen wunderbaren Franken von einem Biowinzer aus Nordheim im Keller!«
    »Na freilich!«
    Auch Georg stand auf.
    »Vielleicht kannst du ja noch ein bisschen bleiben und mit der Rosi sprechen – ich glaub, das tät’ ihr ganz gut.«
    »Das hatte ich sowieso vor.«
    Johannes lächelte.
    »Dank dir – bis heut Abend!«

     
    Georg fand Rosi im Blumengarten. Sie war dabei, Blumenzwiebeln in einem Beet einzugraben.
    »Na Rosi, bereitest du schon das nächste Frühjahr vor?«
    »Ja, der Garten kann mal wieder eine Auffrischung mit Tulpen und Narzissen gebrauchen.« Sie richtete sich auf, »Du weißt doch: A crowd of golden daffodils …«
    »Natürlich! Der alte Poppeye!«
    Rosi und Georg besuchten dasselbe Gymnasium in Coburg. Rosi war zwar jünger und deshalb zwei Klassen unter Georg, doch an Englischlehrer Bopp und seiner Liebe zur Poesie kam kein Schüler vorbei. Da der Mann einen nicht zu überhörenden Sprachfehler hatte, war es eine ziemlich verhängnisvolle Liebe und eine unerschöpfliche Quelle für gemeine Schülerspäße.
    »Wir waren schon ziemlich blöd damals! Dieses Gedicht von Wordsworth ist eigentlich wunderschön!«
    »Ja, das stimmt. Du hattest ja schon damals eine Neigung zu den schönen Künsten. Und jetzt machst du Kultur auf dem Bauernhof?«
    »Mein Café meinst du?«, sie lächelte verlegen. »Ja, schon. Das ist immer ein wunderbares Erlebnis für die Leute, die hierherkommen, und für uns selbst. Es macht zwar auch Arbeit, aber vor allem viel Freude. Komm, ich zeig dir mal den Raum.«
    Sie durchquerten den Garten und kamen zu dem ans Wohnhaus anschließende Stallgebäude. Es war ebenerdig aus Ziegelsteinen gemauert, früher waren hier Schweine und auch Schafe untergebracht. Rosi drehte den Schlüssel, klappte den schweren, alten Eisenriegel hoch und öffnete die große Holztür. Es klang schon ein wenig stolz, als sie sagte: »Hier bitte – das ist mein Reich.«
    Der lang gestreckte Raum war weiß gekalkt. Die Holzbalken, die früher die Boxen der Tiere begrenzten, standen noch an den Seiten, der Fußboden war mit rötlichen Tonfliesen ausgelegt. Die Fenster waren verhältnismäßig klein und hoch angebracht, wie in einem Stallgebäude üblich, sodass sie nicht besonders viel Licht hereinließen. Doch man hatte die eine Stirnwand fast gänzlich durch Glas ersetzt, im unteren Bereich als Tür, und gab so den Blick frei auf die angrenzenden Wiesen bis hin zum Hügel von Oberengbach. Ein paar Hühner pickten draußen im Gras herum.
    »Das ist ja schön geworden!«
    Georg Angermüller nickte anerkennend. Runde Tische mit Stühlen standen bereit, ein paar Sitzecken mit antikem Bauernmobiliar luden zum Verweilen ein, alte Krüge und Schüsseln standen auf Holzbrettern an der Wand, es gab Fotografien, die das Dorf und seine Bewohner vor fast 100 Jahren zeigten, und allerlei landwirtschaftliche Gerätschaften aus früheren Zeiten. Auch ein kleiner Tresen war vorhanden, hinter dem in einem Regal Gläser, Tassen und ein paar Flaschen standen.
    »Wenn wir Veranstaltung haben oder am Wochenende, wenn offen ist, dann stehen natürlich überall Blumen auf den Tischen und am Abend auch Kerzen. Und die große Glastür können wir aufschieben und bei schönem Wetter stellen wir auch Tische und Stühle draußen auf die Wiese.«
    »Und sogar einen Flügel hast du jetzt!«
    Georg deutete auf das schwarze Instrument, das am anderen Ende des Raumes stand.
    »Stell dir vor! Unsere alte Musiklehrerin, die Frau Ehrbar – ich hab die ab und zu mal besucht. Letztes Jahr ist sie mit fast 80 ins Altenheim gezogen, und da hat sie mir einfach so ihren Flügel geschenkt, weil sie ihn nicht mitnehmen konnte.«
    »Spielst du denn auch wieder?«
    Ein Musikstudium, das war Rosis Ziel damals. Konzertpianistin, nein, so kühn waren ihre Träume nicht, aber Musiklehrerin, das hätte sie sich zugetraut. Für ihren Vater war allein der Gedanke schon so abwegig, dass er nicht einmal mit ihr darüber reden wollte. Rosi war seiner Meinung nach ohnehin lange genug zur Schule gegangen. Gemeinsam mit ihrer Schwester Paola sollte sie ihn bei der Arbeit in Gasthof und Brauerei unterstützen. Irgendwann, wenn er sich zurückgezogen hatte, würden die beiden

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