Nebelschleier
weg entwickelt, das ist manchmal so im Leben. Rosi hat ihre Familie, gluckt immer mit den Kindern herum, ist ständig in der Küche oder im Garten und ich hab auch viel um die Ohren«, Paola zuckte mit den Schultern. »Bedauerlich, aber so ist es nun mal. Doch jetzt sag, wirst du es denn machen?«
»Steck ich nicht schon mittendrin?«
Paola sprang auf.
»Ich danke dir, Georg!«, sie gab ihm einen Wangenkuss und sah ihn dann ernst an. »Du hilfst mir sehr!«
»Bitte Paola, versprich dir nicht zu viel davon! Erstens werde ich hier nicht viel ausrichten können und zweitens wirst du dich wundern, wie wenig sich ändert, wenn du weißt, wer’s gewesen ist.«
»Trotzdem: danke!«
Auch Angermüller erhob sich.
»Sag mir noch: Was haben dich die Coburger Kollegen denn so gefragt?«
Paola überlegte kurz.
»Sie fragten nach Papas Tagesablauf und wollten den Namen der Pflegerin, die heute Morgen Irina vertreten hat. Die ist vielleicht die Letzte, die ihn lebend gesehen hat, bevor er …« Sie machte eine Pause und schüttelte den Kopf, als ob sie das Ganze noch nicht fassen konnte. »Sie haben sich kurz in seiner Wohnung umgeschaut, und dann fragten sie mich, ob ich einen Verdacht habe.«
»Na gut, das Übliche. Ja, Paola, dann mach ich mich mal auf.«
»Bleib doch noch! Ich würde mich sehr freuen, noch ein wenig mit dir reden zu können, und außerdem wollte ich dir noch meinen neuen Küchenchef vorstellen. Kochst du immer noch so gern? Weißt du noch, wie wir das erste Mal Pappardelle selbst gemacht haben und dieses köstliche Kaninchenragout?«
Natürlich wusste er das noch. Bemerkenswerte Speisen vergaß Angermüller nie. Auch ihrer beider Liebe zu Kochen und Essen hatte sie damals verbunden, und sie hatten mit jugendlicher Neugier gemeinsam die italienische Küche erkundet, jenseits von Tiefkühlpizza und Spaghetti der Marke Fix und Fertig. Er folgte Paola also in die helle, blinkende Hotelküche, wo Männer, meist jüngeren Alters, und einige Frauen, die er von früher aus dem Dorf kannte und die nicht viel jünger als seine Mutter waren, mit den Vorbereitungen für den Abend beschäftigt waren.
»Das ist Max, unser Küchenchef. Er ist unser Star! Jedenfalls hat er eine sehr gute Presse und die Gäste kommen seinetwegen von weit her zu uns!«
»Hallo!«, sagte der freundliche, junge Mann, der Anfang bis Mitte 30 sein mochte, zu Angermüller und gab ihm die Hand. Dann ging er zu seiner Chefin und wünschte ihr Beileid.
»Danke, Max, das ist lieb von dir. Ich darf dir einen alten Freund vorstellen: Georg Angermüller, solange ich ihn kenne Gourmet und Hobbykoch.«
Max trug zu seiner schneeweißen Kochjacke eine großkarierte schwarz-weiße Hose, und um den Kopf hatte er ein schwarzes Tuch geschlungen, das ihn wie einen Piraten aussehen ließ.
»Was ist das Besondere an eurer Küche?«, wollte Angermüller von Max wissen.
»Wir kochen einfach ehrlich. Wir verwenden nur frische Produkte, nichts Vorbereitetes, und fast alles kommt von Erzeugern aus der Region, die wir persönlich kennen. Die Basis sind unsere traditionellen fränkischen Gerichte, die wir manchmal ein bisschen variieren mit neuen Zutaten, und dann bringen wir sie in etwas leichtere Form, sodass der Gast auch mal ein Menü bestellen kann, ohne hinterher einen Arzt zu brauchen.«
Max lachte und Paola ergänzte: »Lange Zeit sind wir auch auf dieser Italienwelle geritten, mit Pasta auf der Speisekarte, Caprese, Tiramisu und so. Das Übliche halt, na ja. Jetzt kombiniert Max zwar manchmal auch mit italienischen Bestandteilen, aber unser Schwerpunkt bleibt die fränkische Küche. Am besten, du probierst mal, Georg! Kannst du uns ein bisschen was bringen lassen, Max?«
Diese Idee fand Georg Angermüller natürlich ausgezeichnet. Er ließ sich von Paola in die Kutscherstube führen, den rustikalen Teil des Hotelrestaurants, wo die Stühle an rohen Holztischen standen, sich der Tresen befand und Deckenbalken und alte Bauernmöbel stilvoll den Eindruck des einstigen Dorfgasthauses aufrechterhielten. Über den Flur lagen zwei weitere Gasträume, die im gehobenen Landhausstil eingerichtet waren, und der noble Victoria & Albert-Salon. Porträts der Queen und ihres Prinzgemahls hingen an der Wand, die Tische waren weiß eingedeckt und silberne Kerzenleuchter und Blumenarrangements verbreiteten eine noble Atmosphäre.
»Magst du was trinken? Ein Bier vielleicht?«
»Warum nicht – ich bin schließlich nicht im Dienst. Ich nehm einen
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