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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Landgasthof aus. Schmuck und einladend. Drei Gebäudeteile gruppierten sich um den Hof. Links stand die historische Brauerei, aus Feldsteinen gemauert, und davor bildeten Tische und Stühle unter Sonnenschirmen einen kleinen, gemütlichen Biergarten. Die Gebäude an der Stirnseite und rechts vom Hof, in denen Hotel und Restaurant untergebracht waren, hatte man in den letzten Jahren immer wieder erweitert. Sie strahlten in hellem Ocker und die Fenster waren mit olivgrünen Ornamenten umrahmt. In den Blumenkästen davor blühten immer noch üppige Büsche von rosa Geranien. Sie zierten auch die Freitreppe, die hinauf zur Eingangstür führte. Das ganze Ensemble sah aus wie organisch gewachsen, als ob es nie anders gewesen wäre. Bei genauer Betrachtung aber entdeckte man, dass hier eine perfekt ausgewogene Verbindung von bäuerlicher Tradition mit moderner Bauweise geschaffen worden war. Selbst jedes noch so kleine Dekorationselement – ob die verbeulte Milchkanne, die getöpferte Blumenschale oder die Messingklingel neben dem Eingang – war fein durchdacht, und doch erweckte alles den Eindruck, einfach so von leichter Hand gestreut worden zu sein. Im Inneren ließ die Ausstattung an exklusivem Komfort nichts zu wünschen übrig mit dem Ziel, eine gediegene Atmosphäre zu schaffen, in der sich ein internationales Publikum wohlfühlen und trotzdem der Illusion hingeben konnte, in einem authentischen Landgasthof abgestiegen zu sein. Das edle Ambiente zeugte von Geschmack und Eleganz – es war letztendlich die Handschrift der Chefin, wie Angermüller ahnte.
    Das dörfliche Publikum allerdings, das hier früher die Abende über seinen Biergläsern beim Schafkopf verbracht hatte und manchmal am Sonntag mit der ganzen Familie sogar zu Klöß und Braten kam, das fühlte sich hier nicht mehr heimisch. Allein die Sprache der Speisekarte erschien den Niederengbachern fremd.
    An der Rezeption begrüßte ihn freundlich eine junge Frau in einem an ein Dirndl erinnernden Trägerrock mit weißer Bluse und fragte Georg Angermüller nach seinen Wünschen. Paola war gerade beschäftigt, und er wurde gebeten, einen Moment in der Halle Platz zu nehmen. Er ließ sich in den bequemen Sitzkissen einer geschmackvollen Korbmöbelgarnitur nieder. Auch hier versuchte man, eine gediegene Landhausatmosphäre zu schaffen, mit viel hellem Holz, gemusterten Stoffen und Blumendekorationen und mit edlen Teppichen, die die Schritte auf den terrakottafarbenen Keramikfliesen dämpften. Ein Kellner, dessen Weste aus dem gleichen Stoff wie der Trägerrock seiner Kollegin von der Rezeption gefertigt war, fragte, ob er etwas zu trinken wünsche, und stellte vor Angermüller kurz darauf ein Tablett ab.
    »Ceylon Pekoe, vier Minuten, kalte Vollmilch – bitteschön.«
    Angermüller hasste Kaffeesahne im Tee. Auch am Service, der professionell, aber von natürlicher Freundlichkeit und völlig unaufdringlich war, ließ sich die Klasse dieses Hotels leicht erkennen. Vom alten Dorfgasthof war sehr wenig übrig geblieben. Wie hatte das wohl dem alten Steinlein gefallen? Er war nicht gerade bekannt als ein Liebhaber der feinen Lebensart. Angermüller erinnerte sich, dass er den Alten früher oft in der Bauernstube bei den Einheimischen am Stammtisch hatte sitzen sehen, wie er mit ihnen zechte, seine Zigarre paffte und, wenn sie stritten, immer der Lauteste war. Er griff sich eine der Hochglanzzeitschriften, die vor ihm auf dem Glastisch lagen, und blätterte sich durch Sehnsuchtsbilder von einsamen Palmenstränden, Hotelterrassen mit weiß gedeckten Tischen und Greens, die hoch über türkisblauen Buchten lagen.

     
    »Immer nobel Kollege, was?«, Bohnsack schnappte wie ein Karpfen. »Du hast uns gar nicht gesagt, dass du hier abgestiegen bist, Angermüller!«
    »Hätt ich’s müssen, wenn es so wäre?«
    Angermüller hatte sich erhoben und musterte kampfeslustig den Kollegen aus Coburg, der mit Sabine Zapf plötzlich vor ihm stand.
    »Der Georg ist kein Gast, er ist ein alter Freund«, erklärte Paola, die hinzutrat. Hinter dem strahlenden Lächeln, das sie für ihn hatte, erkannte Angermüller Zeichen von Erschöpfung, was ihn nicht erstaunte.
    »So, so. Der Angermüller ist also ein alter Freund?«
    Hauptkommissar Bohnsacks Blick wanderte von einem zum anderen, während sein Kopf unablässig nickte und noch tiefer zwischen seinen Schultern verschwand, sodass er überhaupt keinen Hals mehr zu haben schien. Angermüller beschloss, die Anwesenheit Bohnsacks

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