Nebelschleier
Hause ist.«
Er fummelte seinen Ausweis und seinen Dienstausweis, den er nur versehentlich mit auf die Reise genommen hatte, aus der Hosentasche und legte die Papiere auf den Tresen.
»Ich bin ein Kollege aus Lübeck.«
»Lübeck? Aha.«
Das klang nicht sehr beeindruckt. Auch nicht unbedingt so, als ob die Herkunft aus Lübeck hier als Empfehlung gelten würde. Jedenfalls musterte der ältere der beiden Polizisten ihn und seine Papiere deshalb nicht weniger argwöhnisch. Er fragte sich, ob es nicht vielleicht doch falsch war, hier einfach so frech reinzumarschieren. Besonders Angermüllers blaues Auge fesselte die Aufmerksamkeit des Beamten. Wahrscheinlich unterstrich der Anblick nicht gerade seine Seriosität. Der andere Uniformierte, ein junger Mann von vielleicht 30 Jahren, kam langsam zum Tresen geschlendert, starrte unverblümt in Angermüllers lädiertes Gesicht und sah dann interessiert auf seine Papiere.
»Sie sind ja in Niederengbach geboren. Und Sie wohnen in Lübeck? Wie ist des denn da droben bei den Nordlichtern?«
Wenn ihm das die Türen öffnen würde, war Angermüller bereit, auch darüber Auskunft zu geben.
»Ich kann mich nicht beklagen. Ich bin gern dort.«
»Ich war da mal in Urlaub«, der junge Kollege grübelte. »Mensch, wie hieß denn das noch? Da war ein Campingplatz und da war auch so ein Steilufer in der Nähe.«
Der Name wollte ihm partout nicht einfallen. Er bedeutete seinem Kollegen, dass er sich um den Besucher kümmern würde, was der gleichmütig hinnahm.
»Und was hams an Ihrem Auge gemacht? Wirtshausschlägerei?«
»Das war ein Unfall.«
»So?«
Der junge Mann grinste und glaubte ihm kein Wort, was aber offensichtlich kein Problem für ihn war.
»Ich ruf dann mal bei der Kollegin an. Was wollen Sie denn von ihr?«
»Sagen Sie ihr nur meinen Namen und Niederengbach, dann weiß sie Bescheid.«
Zumindest hoffte Angermüller das. Vor allem hoffte er, dass Sabine Zapf und nicht Rolf Bohnsack am Telefon sein würde.
»Grömitz!«, rief der junge Mann plötzlich, während er schon abwartend den Hörer ans Ohr hielt. »Ich war in Grömitz! War schon schön da, nur das Wetter … Ja! Servus, Frau Zapf! Hier ist der Luther von der Pforte. Horch emal, wir ham hier einen Kommissar Angermüller aus Lübeck, geboren in Niederengbach. Der verlangt nach deim Typ!«
Er horchte aufmerksam in den Hörer.
»Mmh. O. K. Ich schick ihn rauf.«
Der Blick, den der ältere Kollege, der sich hinter Papieren an seinem Schreibtisch verschanzt hatte, Angermüller zuwarf, sagte deutlich, dass er nicht einverstanden war, während der jüngere jetzt gern mit ihm über seine Urlaubserinnerungen plaudern wollte.
»Also, wie gesagt, Grömitz war des! Kennen Sie des?«, fragte er aufgeräumt.
»Natürlich! Das ist ja nicht weit von Lübeck.«
»Wie gesagt, des war schön da, aber von 14 Tagen hatten wir bestimmt zehn Tage Regen! Und was die ja gar net können da oben is des Bier!«
»Beim Wetter kann man halt leider auch mal Pech haben, das ist in unseren Breiten nun mal so«, gab Angermüller pflichtschuldig seinen Kommentar.
»Aber des Bier da droben – na!«, der Coburger Beamte schüttelte voller Abscheu seinen Kopf.
»Ich trink auch lieber unser fränkisches und ich würd gern noch mit Ihnen plaudern«, stimmte Angermüller zu, der voller Ungeduld wegen seines eigentlichen Anliegens war, und sah auf die Uhr. »Aber ich hab noch einige Termine heute. Könnten Sie so freundlich sein und mir sagen, wie ich zur Frau Kommissarin komme?«
Der junge Kollege sprintete leichtfüßig voraus und erzählte dabei unaufhörlich von den Erfahrungen, die er in seinem Urlaub an der Ostsee gemacht hatte. Den Schilderungen nach zu urteilen lag der Norden am anderen Ende der Welt und seine Bewohner waren die reinen Exoten.
Das weitläufige Gebäude war auch innen hervorragend in Schuss und am Samstagvormittag menschenleer. Angermüller war ganz schön aus der Puste, als sie die Treppen zum dritten Stock unter dem Dach hinter sich hatten, und wie meist in solchen Augenblicken dachte er an die Kilos, die scheinbar untrennbar an ihm hafteten, und was er alles tun oder besser lassen müsste, um sie loszuwerden. Doch schon als sie die Glastür zum Treppenhaus hinter sich geschlossen und einen langen Flur betreten hatten, dessen Fenster einen weiten Blick über die Stadt boten, war dieses unangenehme Thema wieder vergessen. Sein Begleiter klopfte kurz gegen eine Tür linker Hand, steckte den Kopf hinein,
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