Nebelschleier
her? Gibt’s was Neues?«
Sie klang ziemlich geschäftsmäßig, und er hatte das Gefühl, dass sie bewusst Distanz zu ihm hielt. Ob ihr die letzte Nacht vielleicht peinlich war? Fast war er nun doch ein wenig enttäuscht.
»Ich wollte einfach mal schauen, wie es dir heute so geht. Außerdem wolltest du mir die Adresse …«
»Das ist ganz lieb von dir, Georg. Es geht mir auf jeden Fall besser als gestern. Abgesehen davon habe ich zum Glück so viel zu tun, dass ich gar nicht zum Grübeln komme.«
Wie aufs Stichwort meldete sich das Telefon auf Paolas Schreibtisch mit einem nervtötenden Dauerton.
»Entschuldige bitte!«
Ein Gespräch auf Englisch mit einem Mister Sakamoto folgte, und als sie auflegte, erzählte sie Georg begeistert, dass sie seit Kurzem einen Vertrag mit einem japanischen Reiseveranstalter habe.
»Diesen Fisch hab ich vor ein paar Wochen erst an Land gezogen«, sagte Paola, und man hörte ihr an, dass sie darauf stolz war. »Das bedeutet, dass zweimal im Monat eine Gruppe Japaner für zwei Tage bei uns logiert. Für uns ist das eine garantierte Einnahme, und solange wir unseren Sport- und Wellnessbereich noch nicht ausgebaut haben, sind wir auf so etwas angewiesen.«
Wieder klingelte das Telefon, und als sie auflegte, wirkte Paola leicht verärgert.
»Das Mädel, das ich als Tresenkraft für die Kutscherstube eingestellt habe, ist immer noch krank. Ausgerechnet heute!«
Georg konnte nichts anderes tun, als zustimmend zu nicken, und plötzlich sah Paola ihn an und griff nach seiner Hand.
»Bitte entschuldige, Georg, das tut mir leid! Jetzt lass ich dich hier nur warten. Aber das geht schon die ganze Zeit so. Hast du Neuigkeiten?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nicht direkt. Ich war zwar so mutig, bei der Kripo in Coburg vorbeizuschauen und mir den Zorn des dortigen Kollegen zuzuziehen, aber auch diese Aktion hat mich leider nicht weitergebracht.«
»Es tut mir auf jeden Fall leid, dass du meinetwegen solche Unannehmlichkeiten hast. Die Kripo hat keinen konkreten Verdacht?«
»Ich fürchte nicht. Aber ich bin mir sicher, die finden den Täter. Du weißt doch: Es gibt kein perfektes Verbrechen.«
»Ist das so?«, fragte Paola zweifelnd, und Angermüller nickte und versuchte, ein ermutigendes Lächeln aufzusetzen.
»Trotzdem!«, meinte sie dann. »Entschuldige bitte den ganzen Ärger, den ich dir eingebrockt habe!«
»Quatsch! Ich mach das doch nicht nur deinetwegen. Das ist meine ganz persönliche Entscheidung! Abgesehen davon sind ja auch Rosi und Johannes davon betroffen und ihr seid alle meine Freunde und für die …«
Georg sprach den Satz nicht zu Ende und Paola senkte lächelnd den Kopf.
»Und was hast du sonst so gemacht heute?«
»Ich war mit meiner Mutter auf dem Friedhof – da hab ich übrigens Bea getroffen.«
»Ach ja. War sie wieder mal am Grab ihrer Mutter?«, Paola seufzte und sah aus dem Fenster. »Wenigstens hat sie ein Grab, das sie besuchen kann. Na ja«, sagte sie dann, und es klang nicht gerade freundlich. »Zu unserem Vater wird sie bestimmt nicht auf den Friedhof gehen, dem kann sie in diesem Leben wohl nicht mehr verzeihen.«
Georg wollte gerade nachfragen, was eigentlich Bea dem alten Steinlein vorwarf, da stand Paola plötzlich auf.
»Die Gäste kommen!«, sie zeigte auf den Hof und schüttelte den Kopf. »Jetzt schon! Das ist eine Silberhochzeitsgesellschaft, eigentlich haben die erst für 17 Uhr bestellt. Was hilft’s, jetzt sind sie da. Ich fürchte, da muss ich mich drum kümmern!«, Paola stand schon in der Tür. »Möchtest du hier warten? Es wird vielleicht einen Moment dauern.«
»Ich wart auf dich.«
Kurz darauf sah Georg, wie Paola auf dem Hof ihre Gäste begrüßte und sie in Richtung Biergarten lotste. Er schaute sich in dem kleinen Büro um und sein Blick fiel auf das Pappmodell der Hotelanlage. Zu den bereits vorhandenen Gebäuden gesellten sich drei weitere, die um einen großen Garten oder besser Park gruppiert waren. Mehrere Wasserbecken waren zu erkennen und in einer Ecke eine Tennisanlage. ›Golf, Sport & Wellness Club in Steinleins Landhotel, Entwurf Steiger & Steiger, Architekten‹ war in geschwungenen Buchstaben auf den Rand des Modells geschrieben. Paola hatte wirklich große Pläne. Ein wenig glaubte er jetzt zu ahnen, was sie meinte, als sie sagte, sie sei mit dem Hotel verheiratet.
Er warf einen Blick auf die Uhr und sah dann nach draußen. Die Silberhochzeitsgesellschaft saß unter den Sonnenschirmen im Biergarten, und
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