Nebelschleier
mit Astern. Der Tisch war an der Wand unter dem Fenster so befestigt, dass man auch mit einem großen Rollstuhl gut daran sitzen konnte. Wenn der Schnitt der Wohnung der gleiche wie bei Paola war, dann lag gegenüber das Wohnzimmer. Schlafzimmer und Bad waren am Ende des Flurs untergebracht, erinnerte sich Angermüller.
So war es auch. In dem hellen, freundlichen Raum, der als Schlafzimmer diente, sah es sauber und aufgeräumt aus, als ob sein Bewohner wieder erwartet würde. An alles war gedacht. Das Bett war in allen Varianten verstellbar. Auch eine komplizierte Apparatur gab es, die wohl dazu diente, den gelähmten alten Mann dort hinein- und auch wieder herauszubefördern. Auf dem Nachttisch stand eine ganze Sammlung von Medikamenten neben einer Vase mit einer roten Rose. Das Bett war sehr akkurat gemacht. Am Kopfende hing eine Schnur mit einem Alarmknopf, den der im Bett Liegende nur kurz drücken musste, um Hilfe zu holen. Skurril wirkten der Büchsenschrank voller Jagdwaffen in der Ecke und die Trophäensammlung an der dem Bett gegenüberliegenden Wand. Sie passten so gar nicht zur übrigen Einrichtung, aber einen Mann, der früher einmal ein passionierter Jäger gewesen war, wie Paolas Vater, erfreute wahrscheinlich ihr Anblick.
Auch das Badezimmer, in das Angermüller kurz hineinschaute, war mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten behindertengerecht ausgestattet. Sogar hier stand in der Fensternische ein Blumenstrauß in einem aus Porzellan gefertigten Gefäß in Form eines Schwanes. Paola hatte wirklich an alles gedacht, um dem kranken alten Mann das Leben zu erleichtern und angenehm zu gestalten. Nun allerdings nutzte dem Steinleins Bernhard ihre umfassende Fürsorge gar nichts mehr.
Im Gegensatz zu den modern und praktisch, trotzdem aber ansprechend eingerichteten anderen Räumen wirkte das Wohnzimmer wie aus einer anderen Zeit übrig geblieben. Eine massige Polstergarnitur in flaschengrünem Leder stand an einer Wand, umgeben von Möbeln aus dunklen Hölzern mit Messingbeschlägen, alles massiv und teuer, aber nicht unbedingt schön. Auch hier hingen eine ganze Reihe Rehbockgehörne und ein großes Hirschgeweih über dem Sofa. Auf dem Couchtisch ein Tablett mit einer geschliffenen Karaffe und Whiskygläsern, daneben ein schwerer Kristallaschenbecher. Englisches Herrenzimmer nannte man so etwas früher und schien anzunehmen, dass sich Männer in der düsteren Atmosphäre am wohlsten fühlten. Für den alten Steinlein verkörperte die museale Ansammlung wohl die Erinnerung an bessere Zeiten.
Vor den mit Gardinen verhängten Fenstern stand ein mächtiger Schreibtisch. Die Lampe darauf beleuchtete eine grünlederne Arbeitsunterlage und eine aus Alabaster gefertigte Schreibtischgarnitur. Die unverschlossene Tür und das eingeschaltete Licht ließen Angermüller vermuten, dass sich vor Kurzem hier jemand aufgehalten hatte. Er trat näher an den Schreibtisch heran. Eine Mappe aus dickem, silbergrauem Karton lag darauf. Nicht nur gedruckt, sondern aufwendig geprägt war der Schriftzug ›Ottmar Fink – Anwalt/Attorney – Vermögensberatung/Investment Counselling – Coburg/München, Germany – Clearwater, Florida‹. Solch edler Accessoires bedurfte es wohl in der Branche, in der Ottmar sich bewegte, wenn man gutgläubige Leute über den Tisch ziehen wollte. Voller Ungeduld schlug Angermüller den Deckel der Mappe auf. Endlich hatte er den handfesten Beweis für die betrügerischen Machenschaften vor sich, in die der alte Mann geraten war. Zuoberst lag ein Brief, adressiert an Bernhard Steinlein. Nach den üblichen Höflichkeitsfloskeln stand da zu lesen:
›… lege ich Ihnen heute den aktualisierten Entwurf für den Kaufvertrag mit der Camposano International Sàrl zur gefälligen Kenntnisnahme vor. Ihrem Wunsch entsprechend sind nun auch die Grundstücke, die direkt an das Gelände von Gasthof und Brauerei anschließen (siehe Skizze 2a) Bestandteil des zu veräußernden Grundes.
Der Gesamtverkaufswert beläuft sich somit auf 1,98 Mio. Euro.
Ich hoffe, das Verhandlungsergebnis entspricht Ihren Erwartungen. Sollte alles zu Ihrer Zufriedenheit sein, könnte bereits für kommenden Montag ein Termin zur Leistung der Unterschriften mit den Herren der Camposano International Sàrl vereinbart werden.
Eine Rechnung über die durch meine Kanzlei erbrachten Leistungen sowie Gebühren und Auslagen erlaube ich mir beizulegen.
Hochachtungsvoll!‹
Der Brief trug das
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