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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hielt es an, und die vielen kleinen Streiflichter, die an ihm vorübergerauscht waren und die er nicht hatte erkennen können, nicht hatte erkennen wollen, setzten sich plötzlich zu einem Bild zusammen. Ganz langsam bewegte er sich von der Tür weg, hinein in den Saal in Paolas Richtung.
    »Bitte, misch dich nicht ein! Du kannst mir nicht helfen!«
    »Doch Paola«, widersprach Angermüller ruhig. »Wir übergeben Ottmar der Polizei und die kümmert sich um alles Weitere. So einfach ist das.«
    »Ach, Giorgio!«, zwischen Mitleid und Hoffnungslosigkeit schwankte Paolas Seufzer. »Du hast ja keine Ahnung!«
    Ottmar Fink, der den kurzen Dialog zwischen den beiden als seine Chance sah, um sich in Sicherheit zu bringen, versuchte, zur Treppe am linken Bühnenrand zu gelangen. Er hatte nicht mit Paolas Wachsamkeit gerechnet. Mit der Präzision der geübten Sportschützin setzte sie einen weiteren Schuss und wieder ging direkt neben Ottmar eine blütengefüllte Amphore zu Bruch. Im gleichen Augenblick ließ sich Ottmar Fink einfach zu Boden fallen und war so zumindest für den Moment aus der Schusslinie.
    »Angermüller, du Idiot!«, schrie er von dort unten mit vor Angst kippender Stimme. »Kapierst du denn gar nichts? Die Paola hat den Alten umgebracht! Ich war’s nicht!«
    »Ich weiß«, antwortete Angermüller ruhig. Er hatte sich inzwischen vorsichtig in die Stuhlreihe vorgearbeitet, die hinter Paola aufgestellt war. Sanft legte er ihr eine Hand auf die Schulter.
    »Komm, Paola«, sagte er leise. »Es ist vorbei.«
    Mit der anderen Hand hatte er mit festem Griff die Waffe gepackt. Doch diese Maßnahme erwies sich als überflüssig. Paola leistete keinerlei Gegenwehr.

     
    Ein paar Stunden später saß Georg Angermüller mit der Verwandtschaft im Victoria & Albert-Salon und wurde als Held des Tages gefeiert, was ihm alles andere als angenehm war. Am meisten beeindruckt war sein Schwager Manfred, der gar nicht aufhören konnte, lobende Trinksprüche auf ihn auszubringen. Auch seine Mutter war mächtig stolz auf ihn. Ihr Sohn hatte ganz allein den Mord in der Felsengrotte aufgeklärt! Nur er selbst fühlte sich ziemlich mies und das lag nicht nur an den Nachwirkungen des Schlages mit dem Gewehrkolben, den Paola ihm versetzt hatte.
    Die Schüsse im Festsaal waren im übrigen Landgasthof nicht ungehört geblieben und der smarte junge Mann von der Rezeption hatte geistesgegenwärtig die Polizei alarmiert. Als Angermüller Sabine Zapf auf ihrem Handy erreichte, waren die Coburger Kollegen schon längst auf dem Weg und trafen wenige Minuten später ein. Natürlich war Bohnsack ziemlich knurrig gegenüber dem Kommissar aus dem Norden, der ihm ständig in die Quere kam und hier ja überhaupt keine Legitimation hatte zu ermitteln. Angermüller bemühte sich zu erklären, dass er ohne sein Zutun in die Ereignisse verwickelt worden war, und da er nun ein wichtiger Zeuge war, musste Bohnsack notgedrungen mit ihm zusammenarbeiten. Der Einsicht in die Notwendigkeit geschuldet, siegte professionelle Sachlichkeit über seine persönliche Abneigung, und nach Angermüllers kurzem Bericht hatte Bohnsack die Lage schnell erfasst und organisierte kompetent die weiteren Maßnahmen.
    Paola und Ottmar wurden jeweils getrennt kurz zu dem Vorfall im Festsaal gehört, und dann entschied Bohnsack, dass man die Vernehmungen besser in der Kriminalpolizeiinspektion fortsetzen wollte. So vermied man weiteres Aufsehen im Dorf und unter den Hotelgästen und konnte Schreibkräfte anfordern, die die Vernehmungen in Coburg gleich mitschrieben. Ein paar Beamte blieben noch zur Sicherung der Spuren im Gasthof zurück. Als Georg zu Hause anrief, um Marga Bescheid zu sagen, dass er etwas später zu den Geburtstagsfeierlichkeiten kommen würde, bekam seine Mutter das natürlich sofort mit und er hörte sie im Hintergrund schimpfen.
    »Du bist doch ein alter Freund von der Paola Steinlein, wie sie neulich gesagt hat?«, hatte Bohnsack ihn auf der Fahrt nach Coburg gefragt. »Ich fänd’s nicht schlecht, wenn du an ihrer Vernehmung teilnehmen würdest, sofern sie nichts dagegen hat. Es könnte ganz hilfreich sein, wenn sie eine Vertrauensperson dabeihat.«
    Nach kurzem Nachdenken hatte Angermüller zugesagt.
    Noch vor einer guten Stunde hätte er nicht im Traum daran geglaubt, einmal hochoffiziell die Räume an der Neustadter Straße betreten zu dürfen. Der Tross nahm den Weg durch das weite Treppenhaus der Coburger Dienststelle, an der umfangreichen

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