Nebelsphäre - haltlos (German Edition)
einander an und die Zeit dehnte sich qualvoll.
So sehr Jaromir sich auch anstrengte, sein innerer Halt entglitt ihm immer weiter. Er konnte es nicht aufhalten, auch wenn er das noch so verzweifelt versuchte.
Zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie in seinen schönen Augen kalte Angst, die die rasende Eifersucht überdeckte.
Das Spiel schien angehalten. Alles war wie eingefroren. Die riesige Uhr auf der Anzeigetafel wies in glühend roten Zahlen darauf hin, dass noch eine Minute und zwei Sekunden zu spielen waren. Niemand in der großen Halle bewegte sich und alle Geräusche waren verstummt.
Victoria hörte nur ihr Herz dumpf und viel zu langsam schlagen und dann war es so weit…
Urplötzlich hatte Victoria eine Eingebung. Sie erinnerte sich an den Nachmittag. Ohne zu überlegen, fasste sie das Bild der sanft flackernden goldenen Kerzenflamme und Kerstins sich beruhigenden Gefühle und platzierte beides mit Macht als Anker genau dort in Jaromirs Geist, wo er in diesem Moment seinen Halt verlor.
Unendlich lange schien gar nichts zu passieren. Die Zahlen auf der Anzeigentafel zeigten noch immer eine Minute und zwei Sekunden an. Es war als wären Jaromir und Victoria ganz allein gefangen in einer erstarrten Welt.
Sie sahen einander einfach nur an, wohl wissend, dass ihr gemeinsames Leben im nächsten Augenblick zu Ende sein würde.
Dann begann die Zeit wieder zu fließen und auf der Anzeigetafel wurde die letzte Spielminute runter gezählt. Wie durch dicken Nebel drangen die Geräusche der jubelnden Fans, die Pfiffe des Schiedsrichters und die Rufe der Spieler zu Victoria durch.
Alles fühlte sich so irreal und fremd an.
Doch dann wurde ihr bewusst, dass Jaromir sie noch immer mit seinen menschlichen Augen ansah.
„Ist das wirklich wahr?“ , dachte Victoria wie in Trance.
Auf der anderen Seite der Arena stand ihr Gefährte eindeutig in Gestalt von Professor Custos Portae.
Erstarrt.
Merkwürdig ruhig.
Unfassbar verwundert, aber definitiv in menschlicher Gestalt.
„Was hast du gemacht?“ , fragte er erstaunt.
Doch schon spürte er seinen wieder aufwallenden Zorn und beschloss augenblicklich die Halle zu verlassen. Jetzt würde er es gerade noch rechtzeitig schaffen.
Von dem, was danach passierte, bekam Victoria nicht mehr viel mit. Anscheinend hatten ihre Freunde die anderen drei Jurastudenten irgendwie daran gehindert, hinter den beiden Streithähnen herzurennen.
Nach dem Schlusspfiff – Victoria hatte keine Ahnung, wie das Spiel letztlich ausgegangen war und es war ihr auch egal – hatten die Mädels Lennard irgendwie gefunden und sie beide in ein Taxi gesetzt.
Sie erlebte das alles merkwürdig distanziert wie durch eine dicke Watteschicht und bemerkte erst jetzt, dass sie für den Zauber viel zu wenig Magie aus der Umgebung aufgenommen und mal wieder ihre eigene astrale Kraft benutzt hatte. Sie war erschöpft und vor ihren Augen begann alles zu verschwimmen.
Lenir gab dem Taxifahrer Jaromirs Adresse durch und blickte sie dann abschätzend von der Seite an. „Sieh mich an, Victoria“, bat er leise.
Sie drehte matt den Kopf und schaute in seine besorgten, melancholischen Augen.
Er nickte und zog eine Packung HotSpice aus seiner Hemdtasche. „Das habe ich mir schon gedacht… Hier, nimm gleich zwei Streifen.“
Fast schon mechanisch folgte Victoria seiner Anweisung und begann zu kauen. Sie seufzte erleichtert, als sie die Wirkung des Zimtkaugummis spürte.
Dann sagte er flüsternd, so dass der Fahrer nichts verstehen konnte: „Was ist da eigentlich in der Halle genau passiert? Ich hätte schwören können, dass Jaro sich verwandeln muss.“
Victoria nickte. „Das musste er eigentlich auch…“
„Und? Warum hat er es nicht?“, fragte Lenir ungeduldig.
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bin mir nicht ganz sicher… ich habe was ausprobiert… ihm im innersten seines Geistes einen neuen Anker zum Festhalten gegeben… hat nicht lange geholfen, aber er ist noch in den Wirtschaftshof gekommen und danach sofort durch die Nebel gesprungen.“
Sie schüttelte sich leicht. So langsam kamen ihre Lebensgeister zurück und sie bemerkte, was für Sorgen sich ihr Gefährte um sie machte. „Jetzt ist er jedenfalls zu Hause und tigert wie ein Irrer im Salon auf und ab.“
Sie wandte sich an Jaromir: „Hi du, wir sind gleich bei dir. Kannst du Albert bitten, etwas Jogi-Tee für mich aufzusetzen?“
Sofort hörte sie seine erleichterte Stimme: „Ein Glück! Es geht dir besser! Ich konnte dich
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