Nebelsphäre - haltlos (German Edition)
lassen. Er war zuvor schon gut angetrunken gewesen und durch den Biernachschub, den seine Freunde in der Pause organisiert hatten, stieg der Promillepegel in der zweiten Halbzeit weiter und damit auch sein Mut. Er fasste den Entschluss, bei Victoria nicht so einfach aufzugeben – Freund hin oder her. Schließlich sollte die süße Maus doch sehen, dass er ein ganzer Kerl war! Das Spiel war nur noch nebensächlich für ihn. Er wartete lediglich auf die richtige Gelegenheit.
Die Deutschen waren in dieser Halbzeit mit vier Toren in Rückstand geraten und setzten nach einer Zweiminutenstrafe für die Schweden zur Aufholjagd an.
Als drei Minuten vor dem Schlusspfiff dann endlich der erlösende Ausgleich fiel, hielt es niemanden in der Ostseehalle mehr auf seinem Sitz. Auch Victoria sprang auf und reckte die Hände mit einem lauten Siegesschrei zur Hallendecke.
Genau darauf hatte der Typ hinter ihr gewartet. Er fasste Victoria von hinten an die Brüste, zog sie an sich und schmatzte ihr einen bierschwangeren Kuss auf die Wange. Dann wischte er seine Wange an ihrer entlang und schon hatte auch sie die Landesfarben im Gesicht.
Als Victoria sich entrüstet zu ihm umdrehte grinste er frech. „Siehst du – steht dir doch!“
Was dann geschah, passierte viel zu schnell und irgendwie alles gleichzeitig.
Jaromir fuhr augenblicklich vor Zorn aus seiner Haut. So ein Grünschnabel hatte es tatsächlich gewagt, SEINE Victoria anzufassen und dann quasi auch noch zu markieren! „DAS GEHT EINDEUTIG ZU WEIT. DEN BRING‘ ICH UM!“
Kaum hatte er sich in seine Drachengestalt verwandelt, da war er auch schon in den Nebeln verschwunden und einen Herzschlag später im Wirtschaftshof der Ostseehalle wieder aufgetaucht. Er besaß gerade noch so viel Verstand, sich in einen Menschen zu verwandeln, bevor er den Hof verließ.
Lenir war, genau wie Victoria, auf das Spiel konzentriert gewesen, so dass er mit dem Angriff des Juristen nicht gerechnet hatte. Jetzt konnte er nur noch Schadensbegrenzung betreiben, indem der dem Typen eine kräftige Ohrfeige verpasste, so dass dieser auf seinen Sitz zurück sackte.
Victoria war geschockt und wie erstarrt.
Sie spürte, wie ihr Gefährte außer sich vor Wut durch die menschenleeren Gänge der Ostseehalle rannte und sah ihn wenige Augenblicke später durch einen der gegenüberliegenden Eingänge in die Arena kommen.
Die Luft flimmerte um ihn herum und er schnaubte vor übermenschlichem Zorn. Mit Eifersucht allein hatte das hier nichts mehr zu tun, denn Jaromir war überzeugt, dass der Typ sie hatte angreifen und verschleppen wollen.
Wie Victoria jetzt feststellte, lag er damit auch gar nicht so falsch.
Der Kerl war zwar überrascht von Lenirs Reaktion, dachte aber gar nicht ans Aufgeben. Wieder versuchte er an Victoria heranzukommen und sie zu befummeln.
So langsam bemerkten auch ihre Kommilitonen und die anderen Juristen den Tumult, mussten aber erst mal verstehen, was da eigentlich abging.
Jaromir sah zu Victoria herüber und rang mit sich selbst. In einem hinteren Winkel seines Geistes war ihm klar, dass eine Verwandlung in dieser Halle das Ende von allem bedeutete, was er als sein normales Leben betrachtete. Die Goldenen würden so etwas niemals verzeihen.
Aber er konnte nicht aus seiner Haut und was dieses Individuum gerade mit SEINER Gefährtin anstellte, war einfach zu viel.
„ICH MUSS ZU IHR UND WERDE DIESEM UNVERFRORENEN GREENHORN DEN SCHÄDEL EINSCHLAGEN!“
Lenir sah das mit dem Schädel ganz genauso. Er war bereits aufgestanden, hatte den unverschämten Studenten am Schlafittchen gepackt und zu sich in die vordere Sitzreihe gezogen. Das Gesicht des Kontrahenten nur zwei Zentimeter vor seinem eigenen sagte Lennard schneidend kühl: „Ich glaube, wir zwei haben da ein Problem, das wir besser draußen lösen.“
Bevor irgendjemand reagieren konnte, schleifte er den betrunkenen Typen hinter sich her. Er hatte ihn so fest im Griff, dass es für die Ordner aussah, als würde er einem betrunken Freund helfen. So marschierte Lennard Arm in Arm mit dem Kerl in Richtung Ausgang.
Jaromir nützte das nur wenig.
Er war noch immer mehr als außer sich und der klägliche Rest seiner Vernunft versuchte mit aller Macht, gegen den Zwang der Verwandlung anzukämpfen.
Victoria wusste, dass ihn jetzt weder ein Befehl, noch Beteuerungen ihrer Liebe davor bewahren würden.
Aus der Halle fliehen konnte er nun auch nicht mehr. Es war einfach zu spät – das wussten sie beide.
Sie sahen
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