Nebelsturm
eine?«
»Da ging es um einen Typen und seine Tussi … Die sind im Urlaub in den USA und fahren rum. Auf einem Rastplatz stoßen sie auf einen Skunk. Die haben noch nie einen Skunk gesehen und finden den total niedlich. Die Tussi will ihn mit nach Schweden nehmen, aber der Typ sagt, dass der Zoll keine wilden Tiere reinlässt. Darum schlägt die Alte vor, den Skunk in ihrer Unterhose zu schmuggeln. ›Klar, das ist ’ne super Idee‹, sagt der Typ, ›aber was machen wir mit dem Gestank?‹«
Tommy kratzte sich am Hals und machte eine Kunstpause für den Abschlussgag:
»›Macht doch nix‹, sagt die Tussi. ›Der Skunk stinkt doch auch!‹«
Er kicherte, drehte sich um und riss an der Plane.
»Der Skunk stinkt doch auch!«, wiederholte er.
»Warte mal …«, rief Henrik.
Aber Tommy wartete nicht, mit voller Kraft zerrte er die Plane zur Seite. Zwar gelang es ihm nur, das Seil an einer Ecke loszureißen, aber die Größe der Öffnung genügte, um den versteckten Beuteteil zu sehen.
»Aha, sieh mal einer an«, sagte Tommy. Er zeigte auf den Erdboden. »Du hättest deine Spuren im Schnee verwischen sollen, Henke … du bist ja wie ein Shuttlebus hin- und hergerannt.«
Henrik schüttelte den Kopf.
»Ich hab mir nur ein paar Sachen genommen …«
»Ein paar?«, wiederholte Tommy zynisch und kam auf ihn zu.
Henrik wich zurück.
»Ja, und?«, warf er Tommy entgegen. »Ich hab mich krumm gemacht für das hier. Ich habe jede unserer Reisen geplant, und ihr habt nur …«
»Henke.« Tommys Stimme war schärfer geworden. »Du redest zu viel.«
» Ich rede zu viel? Du kannst …«
Aber Tommy hörte gar nicht mehr hin, er schlug zu. Der Schlag traf Henrik in den Magen, es war ein harter Treffer, und er stolperte rückwärts. Hinter ihm lag ein Stein, auf den er sich fallen ließ. Dann sah er an sich hinunter.
Die Steppjacke war eingerissen, vom Saum bis zum Nabel verlief ein Schlitz durch den Stoff.
Tommy durchsuchte gekonnt Henriks Taschen, bis er den Autoschlüssel fand.
»Bleib bloß sitzen, sonst steche ich dich ab.«
Henrik bewegte sich nicht. Sein Magen begann sich zu drehen.
Der Schmerz kam in Wellen, er beugte sich nach vorne und übergab sich zwischen seine Beine.
Tommy rückte das Gewehr auf seiner Schulter zurecht und steckte den Schraubenzieher zurück in seine Hosentasche.
Henrik hustete mit schmerzverzerrtem Gesicht.
»Tommy …«
Dieser aber schüttelte nur den Kopf.
»Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass wir so heißen … Tommy und Freddy? Das sind unsere Künstlernamen.«
Henrik waren die Worte ausgegangen und auch die Kräfte. Schweigend saß er auf dem Stein.
Freddy hatte die ganze Zeit über unaufhörlich Beute aus dem Bootshaus zum Lieferwagen getragen. Mit Schwung schlug er die Wagentür zu.
»Fertig!«, rief er.
»Prima.« Tommy kratzte sich am Kinn und wandte sich ein letztes Mal an Henrik. »Da wirst du wohl den Bus nehmen müssen … oder was die hier so haben. Pferdekutschen?«
Henrik erwiderte nichts. Er blieb regungslos auf dem Stein sitzen und sah ihnen hinterher. Ohne große Eile kletterte Freddy hinter das Steuer des Lieferwagens, Tommy setzte sich in Henriks Saab.
Sie stahlen ihm Wagen und Boot, und Henrik konnte nur hilflos zusehen.
Er blickte den Autos hinterher, die langsam auf die Küstenstraße rollten.
Erst dann nahm er die Hand von seinem Bauch. Der Riss in seiner Jacke war rot getränkt.
Aber zum Glück war es nur eine kleine Blutung. Er war einmal in Borgholm zum Blutspenden gegangen. Einen halben Liter hatten sie ihm da abgenommen, im Vergleich dazu war das hier nichts.
Ein bisschen Bauchweh, kleiner Schock, ein bisschen kotzen. Keine Gefahr.
Schließlich gelang es ihm, sich vom Stein zu erheben. Das Blutquoll aus der Wunde im Takt mit den Wellen, die gegen den Strand schlugen, aber er konnte wenigstens gehen. Seine Eingeweide schienen unverletzt zu sein.
Der Wind hatte aufgefrischt und war jetzt wesentlich kälter. Henrik musste an seinen Großvater denken, der an diesem Ort gestorben war, allein. Er schob den Gedanken beiseite.
Die Hand gegen den Bauch gedrückt, ging er zum Bootshaus. Die gesamte Beute war weg. Der einzige Trost, der ihm blieb, war die Tatsache, dass Tommy und Freddy auch die alte Stahllampe eingepackt hatten. Vielleicht waren sie jetzt an der Reihe, das Knacken in der Wand ertragen zu müssen.
Mühsam hinkte Henrik über die Schwelle in das Bootshaus hinein und zu der Hobelbank seines Großvaters. Dort lag
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