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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Erster sein zu müssen. Ständig herrschte Platzmangel, überall; es gab zu wenig Wohnraum, keine freien Parkplätze, zu wenige Kindertagesstätten – es gab sogar zu wenig Platz auf den Friedhöfen. Die Menschen wurden mittlerweile aufgefordert, ihre Hinterbliebenen einäschern zu lassen, hatte Joakim in einer Zeitung gelesen, damit sie weniger Platz wegnahmen.
    Er vermisste Åludden schon jetzt.
    Die Stadtautobahn verzweigte sich unaufhörlich in einem unüberschaubaren Labyrinth aus Brücken und Kreuzungen. Joakim entschied sich für eine Ausfahrt, fuhr ab und in das schachbrettartige Straßenmuster der Stadt voller Ampeln, Motorenlärm und Baustellen. An einer Kreuzung musste er anhalten, eingeklemmt zwischen einem Bus und einem Müllwagen. Eine Frau überquerte mit ihrem Kinderwagen die Straße, das Kind sagte etwas, aber sie starrte nur dumpf vor sich hin.
    Joakim hatte einiges in der Stadt zu erledigen. Zuerst wollte er zu einer kleinen Galerie im Stadtviertel Östermalm und ein Landschaftsgemälde abholen. Es war ein Erbstück, für das er eigentlich gar nicht verantwortlich sein wollte.
    Der Galeriebesitzer war nicht da, dafür aber dessen Mutter.
    Sie erkannte Joakim sofort wieder. Er händigte ihr den Abholschein aus, und sie verschwand, um das Rambe-Gemälde aus dem Tresorraum zu holen. Es lag in einer dünnen Holzkiste, die mit Schrauben verschlossen war.
    »Wir haben es uns gestern noch einmal angesehen, bevor wir es eingepackt haben«, sagte sie. »Es ist makellos schön.«
    »Ja, wir haben es schon sehr vermisst«, entgegnete Joakim, obwohl das gar nicht der Wahrheit entsprach.
    »Befinden sich von den anderen noch welche auf Öland?«
    »Das weiß ich nicht. Die Königliche Familie hat eines, glaube ich, aber das wird wohl kaum auf Schloss Solliden hängen.«
    Mit dem Gemälde im Kofferraum machte sich Joakim auf den Weg in den Villenbezirk Bromma. Mittlerweile war es halb drei, aber die Rushhour hatte zum Glück noch nicht begonnen. Er benötigte nicht mehr als eine Viertelstunde, um ihre alte Apfelvilla zu erreichen.
    Das Wiedersehen mit seinem alten Zuhause löste in ihm eine größere Sehnsucht aus, als es Stockholm vermochte. Das Haus lag nur wenige hundert Meter vom Wasser entfernt in einem großen eingezäunten Garten, der von dichten Fliederbüschen umsäumt war. In der Straße standen fünf weitere Stadtvillen, aber nur eine von ihnen konnte man durch den dichten Bewuchs schimmern sehen.
    Die Apfelvilla war ein zweistöckiges Holzhaus, das Anfang des 20. Jahrhunderts als Stadtvilla eines Bankdirektors errichtet worden war. Bevor Katrine und Joakim das Anwesen erstanden hatten, hatte dort jahrelang eine Wohngemeinschaft von New-Age-Anhängern gelebt. Die jungen Besitzer hatten die Zimmer untervermietet und sich mehr dafür interessiert zu meditieren, als handwerklich zu arbeiten.
    Die Mitglieder der Wohngemeinschaft hatten sich der Bausubstanz und dem Umfeld gegenüber ziemlich respektlos verhalten, und die Nachbarn hatten lange gekämpft, um sie fortzujagen. Als dann Joakim und Katrine die Villa kauften, waren das Haus baufällig und der Garten zugewachsen. Aber sie hattensich mit derselben Energie auf die Renovierungsarbeiten gestürzt wie bei ihrer ersten gemeinsamen Wohnung in der Rörstrandsgata, in der vor ihnen eine verrückte Zweiundachtzigjährige mit sieben Katzen gehaust hatte.
    Joakim hatte tagsüber als Werklehrer gearbeitet und abends und am Wochenende am Haus gebastelt, Katrine hatte eine halbe Stelle als Kunstlehrerin gehabt und den Rest der Zeit in die Renovierungsarbeiten gesteckt.
    Livias zweiten Geburtstag hatten sie zusammen mit Ethel und Omi Ingrid in einem Durcheinander aus aufgerissenen Fußböden, Farbeimern, Tapetenrollen und Schleifmaschinen gefeiert. Sie hatten nur kaltes Wasser, weil die Therme ausgerechnet an diesem Wochenende kaputtgegangen war.
    Als Livia dann drei wurde, konnten sie dafür einen richtigen, altmodischen Kindergeburtstag mit allem Drum und Dran feiern, auf neu poliertem Fußboden und umgeben von tapezierten Wänden und geschliffenen sowie geölten Treppenstufen und -geländern. Und als Gabriel schließlich seinen ersten Geburtstag feierte, war die Villa im Großen und Ganzen fertig renoviert.
    Jetzt sah sie wieder aus wie eine herrschaftliche Villa der Jahrhundertwende und konnte in einem gepflegten Zustand übergeben werden, abgesehen von dem Laub im Garten und dem nicht gemähten Rasen. Das würden die neuen Besitzer übernehmen müssen,

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