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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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seinen Namen zu nennen.
    »Gab es einen Unfall?«, fragte er.
    Die Polizistin schwieg.
    »Sie müssen es mir erzählen«, insistierte Joakim.
    »Fahren Sie?«, fragte die Frau am anderen Ende der Leitung.
    »Ich habe angehalten.«
    Erst nach einer weiteren Pause kam ihre Antwort.
    »Es gab einen Todesfall, durch Ertrinken.«
    »Einen Todesfall? Wer?« Joakim schrie fast in den Hörer.
    Als die Polizistin endlich antwortete, klangen ihre Worte wie einstudierte Phrasen.
    »Ich bin nicht befugt, solche Informationen am Telefon zu geben.«
    Das kleine Telefon in Joakims Hand schien auf einmal hundert Kilo zu wiegen, die Muskeln seines rechten Arms zitterten vor Anspannung.
    »Doch. Dieses Mal müssen Sie das tun«, sagte er langsam. »Ich will einen Namen hören. Wenn jemand von meiner Familie ertrunken ist, müssen Sie mir den Namen sagen. Sonst höre ich nicht auf, Sie anzurufen.«
    Wieder Schweigen.
    »Einen Augenblick, bitte.«
    Es dauerte eine Ewigkeit, Joakim saß zitternd im Wagen. Dann hörte er endlich ein Kratzen in der Leitung.
    »Ich habe einen Namen«, sagte sie vorsichtig.
    »Wie lautet der?«
    Die Stimme der Polizistin klang mechanisch, sie las von einem Zettel ab.
    »Die verunglückte Person heißt Livia Westin.«
    Joakim hielt den Atem an und beugte den Kopf nach vorne. Er wollte nur noch diesem Augenblick entfliehen, diesem Tag entkommen.
    Die Verunglückte.
    »Hallo, sind Sie noch dran?«, fragte die Polizistin.
    Joakim schloss die Augen. Er wollte sich die Ohren zuhalten und nie wieder etwas hören.
    »Herr Westin?«
    »Ich bin noch dran. Ich habe den Namen gehört.«
    »Gut, dann können wir …«
    »Ich habe noch eine Frage«, unterbrach er sie. »Wo sind Katrine und Gabriel?«
    »Sie sind drüben bei den Nachbarn auf dem Bauernhof.«
    »Ich komme, ich fahre sofort los. Sagen Sie … sagen Sie Katrine, dass ich zu ihr komme.«
    »Wir werden den ganzen Abend hier sein«, erwiderte sie. »Sie werden jemanden antreffen.«
    »Okay.«
    »Wollen Sie, dass der Pfarrer kommt? Ich könnte …«
    »Nein, vielen Dank«, unterbrach er sie erneut. »Wir kommen auch so zurecht.«
    Joakim legte auf und fuhr sofort los. Er wollte mit keinem Pfarrer und auch keinem Polizisten sprechen, er wollte einfach nur so schnell wie möglich bei Katrine sein.
    Sie war bei den Nachbarn, hatte die Polizistin ihm gesagt. Wohl auf dem großen Bauernhof, der südwestlich von Åludden lag. Ihre Kühe grasten immer vorne auf den Strandwiesen. Aber er hatte keine Telefonnummer von den Besitzern, er wusste noch nicht einmal, wie sie hießen. Katrine hatte offensichtlich schon Kontakt geknüpft. Aber warum hatte sie ihn nicht selbst angerufen? Stand sie noch unter Schock?
    Da wurde Joakim bewusst, dass er an die falsche Person dachte.
    Er konnte die Straße nicht mehr erkennen, die Tränen liefen ihm die Wangen hinunter, und er musste erneut anhalten und den Warnblinker anschalten. Die Stirn aufs Lenkrad gestützt, saß er mit geschlossenen Augen und weinte.
    Livia war tot. Am Morgen hatte sie noch hinter ihm im Wagen gesessen und Kassette gehört, und jetzt war sie tot.
    Er schluchzte und sah aus dem Fenster. Die Straße vor ihmwar pechschwarz. Seine Gedanken wanderten nach Åludden und zu den Brunnen auf dem Anwesen.
    Es musste an einem der Brunnen passiert sein. War der im Innenhof nicht abgedeckt und verschlossen gewesen?
    Alte Brunnen mit losen Schlössern – warum hatte er sie nicht alle überprüft? Livia und Gabriel waren immerzu zwischen den Gebäudeteilen hin und her gelaufen. Er hätte mit Katrine über die Risiken sprechen müssen.
    Das war jetzt zu spät.
    Er hustete und fuhr weiter. Ab jetzt würde er keine Pause mehr machen. Katrine wartete auf ihn.
    Ihr Gesicht tauchte vor ihm auf. Er hatte Katrine bei einer Wohnungsbesichtigung kennengelernt. Dann kam Livia.
    Die Verantwortung für Livia zu übernehmen war ein großer Schritt für ihn gewesen, daran erinnerte er sich ganz genau. Sie wollten beide Kinder, aber nicht so früh. Katrine wollte alles richtig machen. Sie hatten eigentlich vorgehabt, die Wohnung zu verkaufen und in ein Haus am Rande der Stadt zu ziehen, bevor das erste Kind kam.
    Er wusste noch genau, wie sie am Küchentisch saßen und stundenlang mit gedämpfter Stimme über Livia diskutierten.
    »Wie sollen wir das machen?«, fragte Katrine.
    »Ich würde mich liebend gerne um sie kümmern«, erklärte Joakim. »Ich weiß nur nicht, ob es der perfekte Zeitpunkt ist.«
    »Er ist nicht perfekt«, hatte

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