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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Komm bitte!«
    Schließlich kletterte sie wieder hinunter, schweigsam und beleidigt. Gabriel sah unsicher von seiner Schwester zu seinem Vater und wusste nicht, wer von beiden recht hatte.
    Während sie an den Leuchttürmen vorbeigingen, kam Joakim eine Idee, wie er seine Tochter wieder aufheitern könnte.
    »Wir könnten ja vielleicht mal in einen der Leuchttürme hineingehen und uns den von innen ansehen!«, schlug er vor.
    Livia war sofort Feuer und Flamme.
    »Dürfen wir das denn?«
    »Natürlich dürfen wir das, wenn wir ihn aufschließen können. Und ich weiß, wo der Schlüsselbund hängt.«
    Sie liefen zurück zum Hof. Als Joakim die Tür aufsperrte, unterdrückte er wie so oft den Impuls, nach Katrine zu rufen.
    In einer der Schubladen in der Küche lag eine Blechkiste, die ihm der Makler überreicht hatte und in der sich historische Dokumente befanden. Daneben war der Schlüsselbund – ein Eisenring mit etwa einem Dutzend Schlüsseln, einige davon so groß und schwer, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte.
    Gabriel wollte im Haus bleiben und einen Film mit dem kleinen Pinguin ansehen. Joakim schob die Kassette in den Videorekorder.
    »Wir kommen gleich wieder«, sagte er.
    Gabriel nickte verträumt, er war bereits in den Bann der Bilder gezogen.
    Joakim griff nach dem klimpernden Schlüsselbund und ging mit Livia wieder hinaus in die Kälte.
    »In welchen wollen wir denn gehen?«
    Livia dachte kurz nach und zeigte mit dem Finger darauf.
    »In Mamas.«
    Joakim sah hinunter zum Nordturm. Das war derjenige, der nicht mehr leuchtete, obwohl er sich sicher war, dass er ihn ein einziges Mal hatte leuchten sehen. In der Morgendämmerung jenes Tages, an dem Katrine auf die Steinmole gegangen war.
    »Okay, dann nehmen wir den.«
    Sie liefen die Mole hinunter bis zur Gabelung und bogen dann nach links.
    Sie erreichten die kleine Insel. Vor der Tür des Leuchtturms lag eine Kalksteinplatte, groß genug, dass Vater und Tochter darauf stehen konnten.
    »Dann werden wir mal sehen, ob wir da hineinkommen, Livia …«
    Joakim betrachtete das Hängeschloss und wählte aus den Schlüsseln einen aus, der passend schien. Aber er war zu groß. Der zweite ließ sich zwar ins Schloss stecken, aber nicht umdrehen.
    Der dritte Schlüssel passte, und als Joakim den riesigen Griff packte und ihn zu drehen versuchte, bewegte er sich tatsächlich.
    Er zog, so fest er konnte, am Handgriff. Die Tür ließ sich trotz der schwerfälligen Scharniere zunächst öffnen, aber nach etwa fünfzehn oder zwanzig Zentimetern war Schluss.
    Schuld daran war der große Kalkstein. Wellen und Eis oder aber auch das Gras, das in den Ritzen wuchs, hatte den Stein im Laufe der Jahre hochgedrückt, und er arretierte die Tür.
    Als Joakim am oberen Teil der Stahltür zog, gab sie zwar nach, aber die Öffnung vergrößerte sich um keinen Millimeter.
    Er streckte den Kopf durch den Spalt und hatte den Eindruck, er würde in eine schwarze Schlucht schauen.
    »Was gibt es da zu sehen?«, fragte Livia ungeduldig.
    »Oh je«, sagte er. »Da liegt was auf dem Boden.«
    »Was?«
    Er zog den Kopf aus der Spalte und grinste sie an. Livia stand mit aufgerissenen Augen neben ihm.
    »Ich mache nur Quatsch. Man sieht eigentlich gar nichts … es ist pechschwarz.«
    Er trat zur Seite und ließ Livia vor.
    »Ich kann eine Treppe sehen«, meldete sie.
    »Ja, die Treppe führt hinauf in den Turm.«
    »Die ist gebogen«, sagte Livia. »Die ist an der Wand und geht hoch.«
    »Bis ganz nach oben. Warte hier mal kurz.«
    Er hatte einen länglichen Stein entdeckt, den er holte, um ihn als Tritt benutzen zu können.
    »Geh mal kurz zur Seite, Livia. Ich versuche hineinzuklettern und die Tür von innen aufzuschieben.«
    »Ich will auch da reinklettern!«
    »Nach mir, vielleicht«, versicherte Joakim.
    Dann stellte er sich auf den Stein, bog den oberen Teil der Tür so weit wie möglich auf und zwängte sich hindurch. Es ging – er war froh, dass er noch keinen Speckbauch hatte.
    Es gab kein Tageslicht im Inneren des Turmes, und auch dasGeräusch des Windes war wie ausgeschaltet. Joakim ließ sich auf den Zementboden gleiten und betastete die dicken Steinmauern, die ihn umgaben.
    Langsam gewöhnte er sich an die Dunkelheit und konnte sich umsehen. Wie lange war es wohl her, dass jemand im Turm gewesen war? Jahrzehnte? Die Luft war wie in allen Kalksteingebäuden sehr trocken, und alles war mit einer feinen Schicht aus Staub überzogen.
    Die Steintreppe, die Livia entdeckt

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