Nebelsturm
und wie immer erwachte er mit hämmernden Kopfschmerzen.
Nach dem Frühstück fuhr er die Kinder wie üblich nach Marnäs. Als er zurückkehrte, war der Hof still und leer. Er setzte seine Arbeit fort, die Schlafzimmer im südlichen Flügel des Haupthauses zu tapezieren.
Gegen ein Uhr hörte er auf einmal ein dumpfes Motorengeräusch, das sich Åludden näherte. Er sah aus dem Fenster.
Ein großer, weinroter Mercedes kam in diesem Augenblick auf die Einfahrt gerollt. Joakim erkannte ihn sofort wieder; der Wagen hatte die Beerdigung in Marnäs als einer der ersten verlassen.
Katrines Mutter kam zu Besuch.
Obwohl bereits der Mercedes imposant und groß war, wirkte die Fahrerin noch größer. Sie kämpfte sich aus dem Auto, als wäre sie zwischen Lenkrad und Fahrersitz eingeklemmt gewesen. Sie trug eine eng anliegende Jeans, spitze Stiefel und eine Lederjacke mit vielen Schnallen. Sie war eine Frau um die fünfundfünfzig, mit knallrotem Lippenstift und schwarz umrandeten Augen.
Sie rückte ihr rosa Seidenhalstuch zurecht und sah sich missmutig um. Dann steckte sie sich eine Zigarette an.
Mirja Rambe, seine Schwiegermutter aus Kalmar. Seit der Beerdigung hatte sie sich kein einziges Mal gemeldet.
Joakim atmete tief ein und sehr langsam wieder aus, sammelte sich und ging hinunter, um ihr die Tür zu öffnen.
»Hallo, Joakim«, begrüßte sie ihn und blies den Rauch aus dem Mundwinkel.
»Hallo, Mirja.«
»Wie schön, dass du zu Hause bist. Wie geht es dir?«
»Nicht so gut.«
»Ja, das verstehe ich … das hier macht einem keine gute Laune.«
Mehr Anteilnahme war von ihr nicht zu erwarten. Mirja warf die Zigarette auf den Boden und kam auf ihn zu. Er trat zur Seite, sie schwebte an ihm vorbei und zog eine Fahne aus Tabak und Parfum hinter sich her.
In der Küche blieb sie stehen und sah sich gründlich um. Joakim wusste genau, dass sich dort alles verändert hatte, seit sie vor über dreißig Jahren auf dem Hof gelebt hatte. Als sie jedoch kein Wort über die Arbeit verlor, die sie dort hineingesteckt hatten, fühlte er sich genötigt, sie darauf anzusprechen:
»Katrine hat das meiste im Sommer umgebaut. Was sagst du dazu?«
»Ja, doch«, erwiderte Mirja zögerlich. »Als Torun und ich im Waschhaus ein Zimmer gemietet hatten, wohnten im Haupthaus Junggesellen. Das sah schrecklich aus hier. Überall nur Ruß.«
»Gab es damals eigentlich noch Leuchtturmwärter?«, fragte Joakim.
»Nein, die waren schon weg. Hier wohnten nur Tagelöhner.«
Sie schüttelte sich, als wollte sie das Thema wechseln, und fragte dann:
»Wo sind denn meine Enkelkinder?«
»Livia und Gabriel sind in der Schule, in Marnäs.«
»Schon?«
»Na ja, das heißt Vorschule, für die Sechsjährigen.«
Mirja nickte, ohne zu lächeln.
»Neue Begriffe …«, sagte sie. »Und bleibt doch immer derselbe Hundezwinger.«
»Die Vorschule ist kein Zwinger«, widersprach Joakim. »Sie sind gerne dort.«
»Klar«, nickte Mirja. »In meiner Zeit nannte man das Volksschule. Gleicher Quatsch … jeden Tag dasselbe.«
Dann wechselte sie erneut das Thema.
»Wo wir gerade über Tiere sprechen …«
Sie stolzierte wieder an ihm vorbei hinaus auf den Hof.
Joakim blieb in der Küche stehen und fragte sich nur, wie lange Mirja wohl zu bleiben gedachte. Der Hof wirkte irgendwie viel kleiner in Anwesenheit seiner Schwiegermutter, als würde die Luft nicht für alle reichen. Er hörte eine Wagentür zuschlagen, kurz darauf stand sie wieder vor ihm, in jeder Hand eine Tasche. Die eine hob sie hoch, eine graue Kiste mit Handgriff.
»Dieser war umsonst, ich habe ihn von meinen Nachbarn geschenkt bekommen«, erklärte sie. »Das Zubehör musste ich allerdings selbst kaufen.«
Die Kiste war eine Transportbox für Katzen, und sie war nicht leer.
»Du machst Witze, oder?«, fragte er.
Mirja schüttelte den Kopf und öffnete die Box. Ein ausgewachsener grauer Kater mit schwarzen Streifen sprang heraus und streckte sich. Misstrauisch beäugte er Joakim.
»Das ist Rasputin«, stellte Mirja vor. »Er wird hier wie ein russischer Mönch leben, was?«
Sie öffnete eine große Tüte und holte nacheinander einen Stapel Dosen mit Katzenfutter, eine Futterschale sowie eine Kiste mit Katzenstreu heraus.
»Wir können ihn nicht bei uns behalten«, wehrte Joakim ab.
»Natürlich könnt ihr«, widersprach Mirja. »Das bringt Leben in die Bude.«
Rasputin strich geschmeidig um Joakims Beine und ging dann hinaus in die Eingangshalle. Als Mirja ihm die Tür
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