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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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sich um. »Aber ihr habt keine Mirja-Rambe-Bilder hier, oder?«
    »Nein. Katrine hat welche als Postkarten irgendwo.«
    »Das ist gut, Postkarten bringen auch Bargeld.«
    »Wie viele Gemälde hat Torun denn eigentlich insgesamt angefertigt?«, fragte Joakim und ging langsam zurück in die Küche.
    »Viele. Bestimmt an die fünfzig Stück.«
    »Und davon sind nur sechs erhalten, oder doch mehr?«
    »Nein, sechs.« Mirjas Gesicht wurde dunkel. »Sechs konnten gerettet werden.«
    »Die Leute sagen …«
    Unwirsch unterbrach ihn Mirja.
    »Ich weiß, was die Leute so sagen … dass ihre Tochter sie alle zerstört hat. Eine Sammlung, die heute mehrere Millionen wert wäre … sie behaupten, ich hätte sie in einer kalten Winternacht im Kamin verfeuert, damit wir nicht erfrieren.«
    »Katrine hat mir erzählt, dass das gar nicht stimmt.«
    »Aha?«
    »Sie sagte, du warst eifersüchtig auf deine Mutter … und hättest ihre Werke im Meer versenkt.«
    »Katrine ist erst ein Jahr später zur Welt gekommen, sie war also nicht dabei.«
    Mirja seufzte. »Ich kenne das Inselgeschwätz: Mirja Rambe ist eine anstrengende Alte … ihre Liebhaber sind zu jung, sie säuft zu viel … das hat Katrine doch bestimmt auch gesagt?«
    Joakim schüttelte verneinend den Kopf, erinnerte sich jedoch sehr genau an seine Hochzeit, auf der seine Schwiegermutter betrunken herumgetorkelt war und versucht hatte, seinen jüngeren Cousin zu verführen.
    Sie standen mittlerweile auf der Veranda. Mirja knöpfte sich die Lederjacke zu.
    »Komm mal mit«, forderte sie ihn auf. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Joakim folgte ihr über den Innenhof. Rasputin schlich an ihnen vorbei, zwängte sich durch den Zaun und lief hinunter zum Strand.
    »Hier sieht es aus wie früher«, sagte Mirja und stöckelte vorsichtig über die unebenen Steine. »Überall Unkraut.«
    Sie zündete sich eine Zigarette an und versuchte durch die verschmutzten Scheiben des Waschhauses zu sehen.
    »Niemand zu Hause«, sagte sie.
    »Der Makler nannte es das Gästehaus«, erzählte Joakim. »Im Frühling wollen wir das angehen … zumindest war das der Plan.«
    Von außen sah das alte Waschhaus aus wie ein längliches, eingeschossiges Wohnhaus mit Ziegeldach. Im Inneren befanden sich Holzschuppen, Tischlerwerkstatt, eine Waschküche mit Wasserschäden auf dem Boden, eine Sauna aus den Siebzigern und zwei Wohnräume mit Duschen. In diesen Gästezimmern hatten die Familien früher gewohnt, wenn es im Sommer im Haupthaus zu warm wurde.
    Lange betrachtete Mirja versunken den Ort, dann schüttelte sie energisch den Kopf.
    »Drei Jahre haben wir hier gehaust, Torun und ich. Zusammenmit echten Mäusen und Wollmäusen. Verdammt, das war, als würde man in einem Kühlschrank wohnen.«
    Mirja wandte dem Waschhaus den Rücken zu.
    »Aber eigentlich wollte ich dir hier drüben etwas zeigen.«
    Sie ging über den Hof auf die Scheune zu und zog das Tor auf. Dahinter öffnete sich eine tiefe Dunkelheit.
    Mirja schnipste die Zigarette weg und knipste das Licht an. Sie zeigte an die Decke.
    »Da oben ist es«, sagte sie.
    Joakim zögerte einen Augenblick, dann folgte er Mirja die steile Treppe hinauf auf den Heuboden. Es war alles noch genauso staubig wie bei seinem letzten Besuch.
    »Man kann sich hier ja gar nicht fortbewegen«, sagte er.
    »Doch, doch«, beruhigte ihn Mirja.
    Ohne zu zögern, lief sie zwischen den alten Taschen, Kisten, Möbeln und rostigen Maschinenteile hindurch. Sie entdeckte kleine Gänge, die sie durch den aufgetürmten Müll lenkten und bis zur Stirnseite des Dachbodens führten. Dort blieb sie stehen und zeigte auf die Bretter.
    »Sieh dir das mal an … ich habe es vor über fünfunddreißig Jahren entdeckt.«
    Joakim trat einen Schritt näher. Im schwachen Licht, das durch das Scheunenfenster fiel, sah er Buchstaben, die in die unbehandelten Wandbretter eingeritzt waren. Aneinandergereiht fanden sich dort Namen und Jahreszahlen und ab und an ein Kreuz oder ein Bibelzitat:
    GELIEBTE CAROLINA 1868 stand ganz oben unter dem Dach. Darunter UNSER JAN GING ZU GOTT, WIR VERMISSEN DICH 1883 und etwas tiefer IN GEDENKEN AN ARTHUR CARLSSON, ERTRUNKEN AM 3. JUNI 1911, JOH. 3:16.
    Es standen noch viel mehr Namen an der Wand, aber Joakim wandte sich ab und fragte Mirja.
    »Was ist das?«
    »Das sind die Toten des Hofes«, erklärte sie. Ihre sonst so polternde Stimme klang auf einmal ganz leise, beinahe ehrfürchtig.»Die Angehörigen haben die Namen der Verstorbenen

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