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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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dem überall an den Wänden fertige und unvollendete Bilder von Öland lehnten. Alle zeigten eine grüne flache Landschaft unter einem wolkenfreien Himmel.
    Für jemanden, der sich bis zu diesem Zeitpunkt kaum um seine Enkelkinder gekümmert hatte, brachte Mirja ihnen jetzt ein auffallend großes Interesse entgegen. Nachdem die Speckklöße aufgegessen waren, entwickelte sie einen gesteigerten Ehrgeiz, Gabriel zu sich zu locken, damit er sich auf ihren Schoß setzte, was ihr zum Schluss auch gelang. Er blieb aber nur wenige Minuten dort sitzen, bevor er Livia in das Fernsehzimmer folgte, um ein Kinderprogramm anzuschauen.
    »Dann trinken wir unseren Kaffee eben allein«, sagte Mirja und setzte sich auf das Sofa im Wohnzimmer.
    »Auch gut«, sagte Joakim.
    Mirja hatte keines ihrer eigenen Bilder aufgehängt, aber zwei Gemälde ihre Mutter Torun hingen im Wohnzimmer. Beide stellten den Nebelsturm dar, wie er sich der Küste näherte, ein schwarzer Vorhang, im Begriff, die beiden Leuchttürme zu verhüllen. Wie das Gemälde auf Åludden erzählten auch diese Winterbilder von unsichtbarer Gefahr und schrecklichen Vorahnungen.
    Joakim suchte vergebens nach Spuren von Katrine in der Wohnung. Sie hatte immer helle und klare Flächen bevorzugt, ihre Mutter hingegen hatte das Wohnzimmer mit dunklen geblümten Tapeten und Vorhängen, orientalischen Teppichen und schwarzen Ledersofas eingerichtet.
    Mirja hatte kein Foto von ihrer verstorbenen Tochter aufgestellt, auch keines von ihren Halbgeschwistern. Dagegen hatte sie mehrere kleine und größere Porträtfotos von sich selbst und einem vielleicht zwanzig Jahre jüngeren Mann mit blondem Ziegenbart und struppigen Haaren gekonnt platziert.
    Sie sah, dass Joakim die Fotos anstarrte, und nickte mit dem Kopf zu der kleinen Galerie.
    »Ulf«, erklärte sie. »Er spielt gerade Hallenbandy, sonst hättest du ihn kennengelernt.«
    »Ihr seid also ein Paar …«, fragte Joakim vorsichtig, »du und der Bandyspieler?«
    Eine unnötige Frage. Mirja lächelte.
    »Stört dich das?«
    Joakim schüttelte den Kopf.
    »Das ist gut, aber viele andere stört es«, sagte Mirja. »Bestimmt fand es auch Katrine nicht gut, obwohl sie nie etwas gesagt hat … ältere Frauen sollen keine eigene Sexualität mehr haben. Uffe hat sich bisher nicht beschwert, und ich habe absolut keinen Grund zu klagen.«
    »Nein, im Gegenteil, du scheinst sogar stolz zu sein.«
    Mirja lachte.
    »Die Liebe macht blind, sagt man.«
    Sie nahm einen Schluck Kaffee und zündete sich eine Zigarette an.
    »Eine Polizistin aus Marnäs möchte mit den Ermittlungen weitermachen«, erzählte Joakim nach einer Weile. »Sie hat mich ein paarmal angerufen.«
    Er musste nicht erklären, welche Ermittlungen er meinte.
    »Na dann«, sagte Mirja. »Es steht ihr wohl frei, das zu tun.«
    »Natürlich, vielleicht bekommen wir Antworten auf unsere Fragen … aber dadurch kommt Katrine auch nicht wieder zurück.«
    »Ich weiß, warum sie ertrunken ist«, sagte Mirja und zog an der Zigarette.
    Joakim sah sie an.
    »Du weißt es?«
    »Es war der Hof.«
    »Der Hof?«
    Mirja lachte kurz auf, lächelte aber nicht.
    »Das verdammte Haus bringt nur Unglück«, sagte sie. »Es hat das Leben aller Familien zerstört, die jemals darin gewohnt haben.«
    Joakim sah sie erstaunt an.
    »Man kann doch einem Haus nicht die Schuld an einem Unglück geben.«
    Mirja drückte die Zigarette aus.
    Joakim wechselte das Thema.
    »Nächste Woche bekomme ich Besuch von einem pensionierten Seemann, der den Hof gut kennt. Er heißt Gerlof Davidsson. Kennst du ihn?«
    Mirja schüttelte den Kopf.
    »Aber ich glaube, dass sein Bruder auf dem Nachbarhof gelebt hat«, sagte sie. »Ragnar. Ihn habe ich kennengelernt.«
    »Ach so … Gerlof wird mir etwas über die Geschichte von Åludden erzählen.«
    »Das kann ich auch, wenn du schon so neugierig bist.«
    Mirja trank erneut einen großen Schluck Kaffee. Joakim fand, dass sie vom Wodka schon ganz glasige Augen hatte.
    »Wie seid ihr eigentlich ausgerechnet auf Åludden gelandet?«, fragte er. »Deine Mutter und du?«
    »Wahrscheinlich war die Miete niedrig«, sagte Mirja. »Das war für Mama das Wichtigste. Sie kaufte Leinwände und Ölfarben für das Geld, das sie mit Putzen verdiente. Wir aber litten immer unter Geldmangel. Danach hat sich die Wahl unserer Wohnungen gerichtet.«
    »War der Hof damals schon so heruntergekommen?«
    »Zumindest hat es da angefangen«, antwortete Mirja. »Åludden war zu der Zeit noch im

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