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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Gerlof. »Da gibt es bestimmt ein paar alte Hechte … und die Aale sammeln sich hier im Frühjahr, wenn das Schmelzwasser aus den Bächen in die Ostsee fließt.«
    »Und dann kann man sie fangen?«
    »Man könnte, aber niemand tut es. Als ich ein kleiner Junge war, hat man mir erzählt, dass die Fische aus dem Moor modrig schmecken.«
    »Woher kommt der Name ›Opfermoor‹?«
    »Alte Opferrituale«, antwortete Gerlof. »Die Archäologen haben hier Gold und Silber aus der Römerzeit gefunden, Skelette von Hunderten von Tieren, die ins Wasser geworfen wurden, viele Pferde.« Er hielt inne und fügte hinzu: »Und Knochen von Menschen.«
    »Menschenopfer?«
    Gerlof nickte.
    »Sklaven vielleicht oder Kriegsgefangene. Irgendein Herrscher hatte wohl entschieden, dass es das Einzige war, wozu sie taugten. Wie ich es verstanden habe, wurden sie bei lebendigem Leibe mit langen Pfählen unter Wasser gedrückt … und blieben dort liegen, bis die Archäologen sie fanden.« Er ließ seinen Blick über die Teiche wandern: »Deswegen kommen vielleicht jedes Jahr die Aale zurück. Sie erinnern sich wohl an den Geschmack, sie fressen ja gern Fleisch von …«
    »Gerlof, es reicht.«
    Tilda wandte sich ab und sah ihn an. Er nickte.
    »Ja, ja, ich rede ja nur so vor mich hin. Wollen wir jetzt nach Åludden fahren?«
    Nachdem sie das Auto geparkt hatten, hakte Tilda Gerlof unter, der sich auf seinen Stock stützte, und führte ihn über den Kies zum Haus. Sie ließ ihn nur einen Augenblick los, um an die Scheibe der Küchentür zu klopfen.
    Joakim Westin öffnete bereits nach dem zweiten Klopfen.
    »Herzlich willkommen.«
    Er sprach leise, und Tilda hatte den Eindruck, dass er noch müder aussah als bei ihrer letzten Begegnung. Aber er reichte ihr die Hand und lächelte sogar. Seine Wut über die Namensverwechslung schien verflogen zu sein.
    »Mein aufrichtiges Beileid«, sagte Gerlof.
    Westin nickte.
    »Danke.«
    »Ich bin auch Witwer.«
    »Ja?«
    »Ja, aber das war kein Unfall, es war eine lange Krankheit … meine Ella bekam zuerst Diabetes und danach Herzprobleme.«
    »Vor Kurzem?«
    »Nein, es ist schon viele Jahre her«, antwortete Gerlof. »Aber es fällt mir immer noch schwer. Die Erinnerungen sind ja geblieben.«
    Westin sah Gerlof an und nickte still.
    »Kommen Sie doch herein.«
    Die Kinder waren in der Vorschule und im Kindergarten, und die Atmosphäre in den hellen Zimmern war ruhevoll und irgendwie feierlich. Westin musste die letzten Wochen schwer gearbeitet haben, bemerkte Tilda. Fast das gesamte Erdgeschoss war gestrichen und tapeziert, und es begann wohnlich zu wirken.
    »Für mich ist es beinahe wie eine Zeitreise«, sagte sie, als sie in den großen Salon gingen. »Es ist, als würde man ein Haus aus dem neunzehnten Jahrhundert betreten.«
    »Danke.« Joakim freute sich über das Kompliment.
    »Wo haben Sie bloß all diese Möbel gefunden?«, fragte Gerlof.
    »Wir haben viel gestöbert und zum Teil lange gesucht … sowohlhier auf der Insel als auch in Stockholm«, antwortete Joakim. »Große Räume erfordern große Möbelstücke, die in den Zimmern nicht verloren wirken. Aber wir haben auch immer wieder alte Möbel gekauft und sie dann restauriert.«
    »Das ist ein guter Ansatz«, nickte Gerlof anerkennend. »Heutzutage würdigen die Menschen immer seltener ihren Besitz. Man bessert die kaputten Dinge nicht aus, man wirft sie weg. Das Kaufen ist das Wichtige, nicht die Pflege und das Erhalten.«
    Er hatte Spaß daran, alte Häuser zu besichtigen. Für Gerlof schien die Freude über schöne und gut verarbeitete Gegenstände mit dem Wissen zusammenzuhängen, dass harte Arbeit dahintersteckte. Tilda hatte gesehen, wie er seine eigenen Dinge betrachtete und berührte, als könne er alle Erinnerungen erfühlen, die damit verbunden waren. Ob bei einer alten Seemannskiste oder bei einem Stapel Leinenhandtücher.
    »Wird man davon nicht ein bisschen abhängig?«, fragte Gerlof.
    »Wovon abhängig?«, sagte Joakim.
    »Häuser umzubauen.«
    Er schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Ich würde das nicht als eine Abhängigkeit bezeichnen. Wir müssen nicht jedes Jahr unbedingt eine neue Küche haben, so wie einige Leute in Stockholm … und außerdem ist das hier erst das zweite Haus, das wir übernommen haben. Davor haben wir in Wohnungen gewohnt und diese renoviert.«
    »Wo stand denn das erste Haus?«
    »Außerhalb von Stockholm, in Bromma. Eine schöne Holzvilla, die wir von Grund auf saniert haben.«
    »Und warum

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