Nebeltod auf Norderney
verließen die Staatsanwaltschaft.
Es war kühl geworden. Am Himmel zogen schwarze Wolken auf. Sie gingen zu ihrem Wagen und fuhren los. Für die Rückfahrt benutzten sie die Bundesstraße über Moordorf. In Marienhafe gerieten sie in ein starkes Gewitter. Der anschließende Regen zwang sie anzuhalten und zu warten, bis die überflutete Straße passierbar war.
Gegen 15 Uhr 20 erreichten sie Norddeich. Der Himmel klarte wieder auf, und mit dem Einsetzen der Ebbe kam die Sonne wieder zum Vorschein. Um 15 Uhr 30 ging die Fähre nach Norderney.
Sie waren nicht ganz zufrieden mit dem Verlauf des Verhörs. Marga Stamm und Phillip Matulla mussten mangels Beweisen aus der Untersuchungshaft entlassen werden.
Doch die größte Überraschung wartete noch auf sie im Kommissariat auf der Knyphausenstraße.
Auf der Insel war, wie so oft, das Wetter besser als auf dem Festland. So hatte auch der Tiefausläufer gegen 11 Uhr die Insel passiert und dann der Sonne Platz gemacht.
Um diese Zeit starteten Rolf Gehrmann und Bonno Lührs, zwei berittene Polizeibeamte, auf der Insel am Nordstrand ihren Dienst. Sie ritten durch die Dünen bis zur Ostbake und Rattendüne und wendeten am Wrack, um ihre Präsenz zu zeigen.
Es kam häufig vor, dass Unbefugte sich in den Naturschutzgebieten aufhielten. Gerade während der Saison campten Rucksacktouristen wild in den Dünentälern. Sie schreckten selbst nicht davor zurück, die Romantik mit Schlafsack und Lagerfeuer zu genießen.
Gehrmann und Lührs ritten zum Strand durch die »Urlandschaft«, wie das Gebiet auf den Inselkarten heißt. Nur selten wagen sich Spaziergänger in diese Regionen vor. Die Beamten ritten bei kommendem Wasser am Saum der Wellen im leichten Trab, als Lührs bei Kilometer 9 sein Pferd anhielt und Gehrmann zu sich winkte. Der Kollege ließ sein Pferd aus dem Trab fallen und ritt zu ihm hin.
Lührs war ein groß gewachsener, sportlicher Mann. Er stieg aus dem Sattel und warf Gehrmann die Zügel zu.
»Halt mal eben«, sagte er und schritt durch das flach auslaufende Wasser der Wellen. Nur wenige Meter von ihm entfernt schwamm ein Damenschuh. Er bückte sich und hob ihn auf. Das Wasser tropfte zu Boden. Es war mehr eine Sandalette, wie Lührs feststellte. Die Riemchen waren aus schwarzem, gelacktem Leder. Der zierliche Damenschuh hatte einen halbhohen Blockabsatz.
Nachdenklich blickte Lührs am Strand entlang. Er sah in der Ferne die Badegäste am FKK. Es kam häufig vor, dass sie im Treibgut Gegenstände entdeckten, die bei starkem Seegang über Bord einer Yacht gegangen waren. Doch dieser Schuh war von ihrer Besitzerin noch nicht lange getragen worden.
Lührs schritt langsam durch das flache Wasser und suchte es nach dem zweiten Schuh ab. Doch vergeblich. Er ging zurück zu seinem Pferd, zeigte Gehrmann den Schuh und steckte ihn in die Satteltasche.
Gehrmann lachte spöttisch auf. »Deine Frau kann lange warten, bis wir den anderen finden«, sagte er ironisch.
Lührs nahm die Zügel und stieg in den Sattel.
»Ich sprach gestern mit Meyers. Sie suchen nach einer Frau mittleren Alters. Vielleicht trug sie diesen Schuh«, antwortete er.
Sie setzten ihre Streife fort und ritten zur Weißen Düne. Dort telefonierte Lührs mit Kommissar Meyers, der gerade von Aurich kam.
Lührs und Gehrmann drehten noch eine Runde durch das Gelände oberhalb der Oase und dem Leuchtturm ohne weitere Vorkommnisse und ritten von dort an der Meierei vorbei zu den Stallungen. Sie sattelten die Pferde ab, brachten sie in die gemisteten Stallungen.
Überrascht schauten sie auf Kommissar Meyers, der es sich nicht nehmen ließ, den angelandeten Schuh von Lührs entgegenzunehmen.
»Bonno, man kann nie wissen. Du hast mitgedacht. Ich danke dir«, sagte Meyers.
Es war schon zu spät, den Staatsanwalt anzurufen. Albert Spatfeld war bereits wieder nach Hause gefahren. Er hatte angegeben, dass er die Bilder für seinen Galeristen fertig stellen musste. Zudem war sein Sohn aus England zurückgekommen.
Ailts saß noch am Schreibtisch, als Meyers das Zimmer betrat.
»Ich rufe Spatfeld an«, sagte Meyers und langte nach dem Telefonbuch. »Er wird wissen, ob der Schuh von seiner Frau ist.«
»Telefon Großheide«, sagte Ailts und unterbrach seine Schreibarbeit.
»Ja, Vorwahl 0 49 36«, antwortete Meyers und wählte die Rufnummer.
»Kevin Spatfeld, Berumbur«, vernahm er.
»Hallo!«, sagte der Kommissar. »Hier spricht Meyers von der Kripo Norderney. Kevin, wir haben hier am Strand einen
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