Nebeltod auf Norderney
zueinander.
Dodo rief fast täglich abends an, wenn er unterwegs war. Ansonsten machten sie es sich in ihrem Apartment im Hause 456 auf Baltrum oder in Wilhelmshaven auf der Bülowstraße in seiner Wohnung gemütlich. Dann erhielt Heide die Zusage von der Schulbehörde. Mit dem Beginn des neuen Schuljahres wurde sie dem Kollegium der Grundschule Hage zugeteilt. Sie wurde aufgefordert, mit ihrem Schulleiter Rücksprache zu nehmen. Ihre Freude war überwältigend.
Auch bei der Wohnungssuche hatten sie Glück. Ein Diplom-Ingenieur vom Wasserschifffahrtsamt wurde nach Stade versetzt und suchte für seine Vierzimmerwohnung einen Nachmieter. Sie befand sich in Lütetsburg am Forstpfad, war erst drei Jahre alt undentsprach im Zuschnitt den Wünschen der Lehrerin. Zu Fuß vom Forstpfad bis zum Schulzentrum in Hage waren es etwa 20 Minuten. Mit dem Fahrrad bei hervorragenden Straßenverhältnissen benötigte man ohne sich anzustrengen etwa 10 Minuten.
Heide Heynen kaufte sich ein Sportrad, denn die Samtgemeinde Hage, zu der auch Lütetsburg gehörte, hat eines der besten Wegenetze an der ostfriesischen Küste. Heide machte auch den Führerschein und kaufte sich einen Golf, der es ihr ermöglichte, nach Wilhelmshaven zu fahren, um Dodo zu treffen, wenn seine Freizeit knapp bemessen war.
Sie fand sich schnell ein in das Kollegium der ländlichen Grund- und Hauptschule. Die Schüler und Schülerinnen entstammten fast durchweg intakten Familien und wurden in kleinen Klassen unterrichtet. Abgesehen von einigen türkischen Schülern, deren Eltern integriert waren und deren Väter in hiesigen Kleinbetrieben arbeiteten, gab es keine weiteren ausländischen Mitschüler. In Hage war von einer steigenden Überfremdung der Schulen noch nichts zu spüren.
Auch zwischen Eltern und Lehrern bestand ein zum Teil freundschaftlicher Kontakt, der sich in den Geschäften und Märkten noch verstärkte. Die Bevölkerung nahm überhaupt regen Anteil am schulischen Leben. Das galt nicht nur für die sportlichen, sondern auch die kulturellen Veranstaltungen.
Während Heide Heynen mit ihrer beruflichen Situation mehr als zufrieden war, auch privat im Glück schwelgte, blieb Dodo Wilbert ihren Eltern ein Dorn im Auge. Das beruhte mittlerweile auf Gegenseitigkeit. Wirtschaftliche Schwierigkeiten der Olympia AG in Wilhelmshaven führten vorübergehend auch die Spedition in eine Umsatzkrise, die allerdings durch die Expansion des Bierausstoßes der Brauerei in Jever aufgefangen wurde. Für Dodo Wilbert ergaben sich keine wesentlichen Änderungen, wenn man einmal von den langen Touren absah. Er hatte weiterhin einen gut bezahlten und sicheren Arbeitsplatz, wartete aber vergeblich auf eine adäquate Stelle im Raum Emden oder Norden.
Ungünstig wirkte sich für ihn die getroffene Urlaubsregelung desPersonalrats mit der Firmenleitung aus, weil er als unverheirateter, kinderloser Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Urlaub während der Ferien hatte. Das hatte zur Folge, dass Heide und Dodo nicht gemeinsam in die Ferien fahren konnten.
Notgedrungen verbrachte Heide ihre Sommerferien im Apartment des Hauses 456 auf Baltrum. Zugegeben, das Wetter war meist nicht sonderlich. Zudem war ihren Eltern nicht klarzumachen, dass auch Lehrerinnen ausspannen müssen, wollten sie ihre Arbeitskraft erhalten. Ständig forderten sie ihre Mithilfe an. Mal fielen Kellnerinnen aus, dann gab es Zeiten, in denen das Café keinen freien Platz mehr hatte, oder sie musste über Mittag noch für die Gäste Kuchen backen. Das gab den Eltern die Gelegenheit, ihr vor Augen zu führen, dass ein »Bierkutscher« nicht zur Familie passte.
Als Heide Heynen ihrem Freund mit der Bitte kam, ihr in den Osterferien eine Fahrt nach New York und San Francisco zu gestatten, die vom Lehrerverband mit pädagogischen Schwerpunkten ausgeschrieben und bezuschusst wurde, willigte er schweren Herzens ein.
An einem Freitagabend Mitte Februar befand sich Dodo Wilbert mit seinem MAN-Sattelschlepper auf der Rückfahrt von Aachen nach Wilhelmshaven. Es schneite ununterbrochen. Der Frost hatte zu einigen hässlichen Unfällen geführt. Immer wieder kam es zu hinderlichen, langen Staus.
Dodo Wilbert verließ genervt die Autobahn, trank in der Raststätte »Dammer Berge« einen Kaffee und fuhr über die Autostraße in Richtung Cloppenburg. Hier waren die Streufahrzeuge im Einsatz. Dennoch kam er nur langsam voran. Als er sich Jever näherte, entschied er sich, über Wittmund nach Hage zu fahren, um
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