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Nebeltod auf Norderney

Nebeltod auf Norderney

Titel: Nebeltod auf Norderney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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seinen roten und festen Backsteinmauern hatte in den vielen Jahren noch niemand gehungert oder ernsthaft Not gespürt.
    Weit über hundert Stück Buntvieh bevölkerten im Frühjahr die Weiden, und im Sommer befuhren der Bauer und sein gut bezahlter Landarbeiter mit einem eigenen Mähdrescher die Getreidefelder. Allen Unkenrufen zum Trotz warf der Polderhof satte Gewinne ab, die bei geschickter Abschreibungspolitik den Wohlstand der Familie Everts mehrten.
    Dabei gehörte es zur Tradition, dass niemand des alten Bauerngeschlechts mit dem Vermögen protzte. Sie besaßen in der Umgebung mehrere Häuser, die einer ständigen Pflege unterzogen wurden und somit ihren Wert erhielten.
    Doch seit dem Herbst stand das Glück der Familie Everts unter einem unglücklichen Stern.
    Ende September reparierte der Landwirt Aldo Everts auf den Weiden am Süderdeich den Zaun, als ihn ohne Vorwarnung an einem grauen Samstagnachmittag ein Herzanfall zu schaffen machte. Er schleppte sich bis zum Trecker und brach dann zusammen.
    Erst eine Stunde später fand ihn ein Spaziergänger, der mit seinem Hund unterwegs war. Es verging noch eine halbe Stunde, bis ein Arzt dem Kranken Erste Hilfe leisten konnte.
    Aldo Everts erlangte das Bewusstsein nicht wieder. Er verstarb einige Tage später im Krankenhaus.
    Der siebzehnjährige Sohn Onno Everts stand der Mutter bei, soweit er konnte. Er hatte zwei Schwestern, die beide noch die Schule besuchten.
    Kurz vor Weihnachten ereilte die Mutter beim Bügeln ein Schlaganfall. Sie starb ebenfalls an den Folgen, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Der leidgeprüfte Sohn stand mit seinen beiden Schwestern Tomke und Nele vor schier unüberwindlichen Schwierigkeiten.
    Bei dem Versuch, den Hof zu führen, hatte er eine große Stütze in einem langjährigen, zuverlässigen Landarbeiter. Vorübergehend halfen auch Tomke und Nele im Haushalt. Doch dann schritt die Behörde von Amts wegen ein. Es verfügte, und das lag im Interesse aller Beteiligten, dass die beiden Mädchen eine ständige Bleibe bei ihrem Onkel und ihrer Tante in Dornum auf dem Johannishof fanden. Sie hatten ebenfalls zwei Töchter im gleichen Alter, die sich um ihre Kusinen bemühten.
    Onno Everts stand kurz vor seinem 18. Geburtstag. Er wechselte über auf das Heimgymnasium in Esens und beabsichtigte, den Polderhof zu verpachten. Ein Anwalt aus Esens stand ihm zur Seite.
    So weit herrschte Klarheit unter den Geschwistern. Ein niederländischer Pächter, ein junger Mann mit seiner Verlobten, wurden vorstellig und signalisierten Onno Everts und dem Anwalt Interesse an dem Hof. Sie hatten ihn zwecks Besprechung des Pachtvertrages auf Karfreitag bestellt.
    Mitte Februar, an einem Freitagabend, verließ Onno Everts gegen 19 Uhr den Polderhof. Er wusste seine Schwestern gut behütet zu Hause bei Onkel Hinni und Tante Trintje. Er schwang sich trotz des gelegentlichen Schneefalls auf sein Fahrrad und radelte über den Versorgungsweg zur Landstraße und von dort die zwei Kilometer nach Neuharlingersiel.
    Er hatte in der letzten Zeit viel geweint. Vor ihm und seinen Geschwistern lagen schwere Jahre, wenn er von ihrem finanziellen Rückhalt einmal absah.
    Er freute sich auf den Abend. Er wollte sich mit einem Klassenkameraden im »Seestern« treffen. Die Gaststätte befand sich in derNähe des Campingplatzes. Sie war gemütlich, entsprach dem Geschmack des meist rheinischen Publikums und war das, was man eine Bierpinte nannte.
    Die Gemeinde hatte im Ort die Wege gestreut, und Onno Everts hatte keine Probleme mit dem Schnee. Als er den »Seestern« betrat, saß sein Klassenkamerad bereits am Tresen. Er hängte seinen schwarzen Anorak an die Garderobe und setzte sich zu seinem Freund.
    Der Seestern war an diesem Abend gut besucht. Etwa fünfzehn bis zwanzig zumeist ältere Gäste saßen an den Tischen. An der Wand hingen alte Fotografien unter Glas. Es waren Zeugnisse aus der Zeit, als Neuharlingersiel noch ein beträchtlicher Windjammerhafen war.
    Die Kneipe hatte breite Fenster, die den Blick auf die Grünanlagen des Campingplatzes ließen, der jetzt unter einer Schneedecke lag. Gepolsterte Holzstühle umstanden stabile Tische, die nach niederländischem Vorbild Teppiche trugen.
    Der Wirt grüßte den Gast. Er kannte den jungen Mann, der bei ihm gelegentlich mit seinen Freunden Bier trank. Auch die Serviererin winkte ihm zu.
    Onno Everts nahm neben seinem Freund Platz und begrüßte ihn. Der Klassenkamerad betrachtete den Freund.
    »Du hast

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