Nebeltod auf Norderney
sich an die Hände, standen in der Ecke des Zimmers und weinten.
Der Bestatter und sein Gehilfe trugen einen Sarg nach unten. Sie stellten ihn vor den Regalen neben der Leiche ab. Der Arzt stellte seine Tasche ab und half ihnen, den Toten einzusargen.
Eine Ratte stolzierte in sicherem Abstand durch den ungepflegten Raum. Der Kommissar verzog angeekelt sein Gesicht, ging die Treppe hoch und klebte ein Siegel über das Türschloss. Draußen zog die Morgendämmerung auf. Die Bestatter fuhren davon.
Albert Spatfeld führte den Arzt und die Beamten in das Wohnzimmer. Der Geruch von Alkohol und Gulaschsuppe hing noch im Raum.
Carmen Angeniess zeigt auf den Tisch, der nüchtern im bunten Papierschmuck stand. Die Polizisten betrachteten die Papiere und schrieben sich die Namen auf. Dr. Küchen stellte den Totenschein aus und unterschrieb ihn. Sein Gesicht wirkte ernst, als er sich verabschiedete.
Die Polizisten fuhren zum Revier zurück.
Carmen weinte. Die Polin stierte mit bleichen Lippen hinter dem Wagen her. Neugierige hatten sich eingefunden.
Albert Spatfeld kochte einen Kaffee. Er tat allen Beteiligten gut. Das Fest hatte nach einem guten Verlauf ein tragisches Ende gefunden. Dr. Xaver Angeniess war 52 Jahre, 2 Monate und 11 Tage alt geworden. Sein Leben war verpfuscht. Sein Tod erledigte seine Bemühungen um eine Wiederaufnahme des Rehabilitationsprozesses.
Carmen trank den Kaffee in kleinen Schlucken. Ihre Mama hatte ihr Geld hinterlassen für das Studium. Das reichte auch für die Beisetzung ihres Vaters. Ihr Papa würde seine letzte Ruhe an der Seite der Mama auf dem Friedhof in Groß-Gerau finden.
Sie legte den Arm um die Schultern der Polin. »Matewja, verstehst du mich? Hörst du? Ich werde ausziehen! Du kannst allesbehalten, was Papa besessen hat. Ich werde für seine Beerdigung aufkommen.«
»Carmen, ich stehe dir bei«, sagte Albert Spatfeld traurig und goss Kaffee nach. Er hatte die hochnäsigen Blicke der Bestatter bemerkt, die davon ausgingen, dass die Stadt Düsseldorf die Kosten der Beisetzung übernehmen werde, wie das in diesen Kreisen üblich war. Er konnte es ihnen nicht verübeln. Er nahm sein Handy, wählte die Nummer seiner Eltern und klingelte sie aus dem Schlaf. Er berichtete von dem schrecklichen Geschehen in der »Hött«.
Die Mutter bat ihn, mit Carmen zum Frühstück zu kommen. Sie erklärte sich bereit, Carmen beizustehen.
Carmen Angeniess hatte sich ein wenig frisch gemacht, die tiefen Ringe unter ihren Augen mit Puder bearbeitet und die blassen Lippen mit Rouge überzogen.
Sie fuhren zuerst einmal nach Hause. Alberts Eltern sprachen ihr das Beileid aus und wussten Rat, denn da gab es eine Menge Laufereien zu den Ämtern. Der Hauptansprechpartner war der Bestatter, der nicht nur den Sarg lieferte, sondern auch die sterblichen Überreste nach Groß-Gerau zu überführen hatte.
Frau Spatfeld hatte bereits den Frühstückstisch gedeckt und den Kaffee aufgebrüht und bemühte sich liebevoll mit ihrem Mann um Carmen Angeniess. Unter ihrem guten Zureden aß sie zwei Brötchen.
Albert schrieb auf einen Zettel die Stationen und Adressen auf, die jetzt von Wichtigkeit waren. Alberts Eltern vergaßen nichts. Sie hatten die Oma vor nicht langer Zeit verloren und zu Grabe getragen. Alberts Vater stellte per E-Mail eine Anfrage an das Friedhofsamt in Groß-Gerau zwecks Bestattung des Arztes im Grab seiner Frau und bat um eine entsprechende Nachricht.
»Nun nehmt euch Zeit. Alles der Reihe nach«, sagte Frau Spatfeld. Albert und Carmen suchten zuerst das Bestattungshaus Broich & Stropp auf. Herr Heinrich Stropp war selbst im Laden und bediente sie in seiner ruhigen, zuvorkommenden Art.
Albert Spatfeld musste oft einspringen, nicht nur weil Carmen angesichts des überraschenden Unglücksfalls die Tränen kamen, sondern auch um das peinliche Drumherumgerede zum Verstummen zu bringen, denn die Herkunft des Verunglückten sprach für sich. Ganz nebenbei wies er den Toten als promovierten Arzt aus. Carmen hantierte zusätzlich während der Gespräche mit ihrer Scheckkarte und wischte damit alle Bedenken vom Tisch.
Sie wünschte keine Beerdigung auf einem der Stadtfriedhöfe im üblichen Stil. Ihr Auftrag umschloss den Transport des Toten nach Groß-Gerau. Zu den paar Verwandten, die noch irgendwo in Südeuropa existierten, hatte sie keine Verbindung mehr. Ihr Vater hatte an ein Leben nach dem Tode geglaubt, war getauft, und deshalb sollte er eine Toten-Andacht erhalten.
Carmen suchte
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