Nebeltod auf Norderney
meinen Computer«, fügte er hinzu.
»Matewja, ich bleibe bei Albert«, sagte Carmen. »Du bekommst morgen von mir Bescheid, wann wir nach Groß-Gerau fahren. Vielleicht nehmen wir einen Mietwagen.«
»Ich bin ja so einsam«, schluchzte die Polin.
»Das tut uns schrecklich leid«, sagte Albert und zog die Wetterjacke über.
Carmen strich der unglücklichen Polin über das Haar und weinte.Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, nahm die Unterlagen und folgte ihrem Freund nach draußen.
Die Wolkendecke hatte sich gelichtet. Eine Wetterbesserung kündigte sich an.
»Dein Vater war sofort tot. Er hat es hinter sich. Denke bitte daran«, sagte Albert und zog den Roller vom Ständer.
»Ich weiß. Er war nicht mehr zu retten. Dennoch …«, meinte sie und stieg auf.
»Da musst du durch«, sagte er, trat den Motor an und fuhr los.
Der Fahrtwind kühlte die Stirn trotz des Helmes. Es machte Albert Spaß, den Roller mit beinahe Höchstgeschwindigkeit durch den Verkehr zu steuern. Sie erreichten den Bungalow und stellten den Roller ab. In der Garage stand der Mercedes von Alberts Vater. Er war früher als sonst nach Hause gekommen.
»Dein Vater wird entsetzt sein«, sagte sie und zog den Helm ab.
»Er hat wenig übrig für Alkoholiker. Sie sind für ihn Schwächlinge. Aber dein Papa stürzte zu Tode«, sagte Albert, nahm den Helm ab und legte ihn auf den Sitz.
»Mein Vater hat sich nie etwas aus der Meinung Fremder gemacht«, sagte Carmen.
Sie betraten das Haus. Die Mutter kam ihnen im Korridor entgegen.
»Carmen, soll ich euch etwas zu essen machen oder trinkt ihr mit uns Kaffee?«, fragte sie wohlwollend.
»Wir müssen noch eben am Computer ein paar Abmeldungen vornehmen, dann kommen wir zum Kaffee«, sagte Albert.
Sie zogen ihre Jacken aus, hängten sie an die Garderobe, stiegen die Treppe hoch und betraten das Apartment.
Albert, dem der Tod von Carmens Vater sehr nahe ging, küsste Carmen heiß, drängte sie in die Nähe der Liege, zog sie aus und liebte sie wie von Sinnen.
Carmen ließ Albert gewähren. Auch ihr schien das die richtige Reaktion auf den abrupten Tod ihres Vaters zu sein. Sie hielt Alberts Hände, hielt sie auch danach fest.
Es war nur eine Viertelstunde vergangen, als sie erschöpft denComputer bedienten und per E-Mail den Arzt und Vater von Carmen, Dr. Xaver Angeniess, als Mitglied bei verschiedenen Vereinen und Organisationen abmeldeten. Danach gingen sie nach unten.
Die Mutter hatte im Wohnzimmer gedeckt und für sie »Reistörtchen«, eine rheinische Spezialität, gekauft. Sie schenkte den Kaffee aus. Während sie und ihr Mann sich mitfühlend mit Fragen nach ihren Zukunftsplänen erkundigten, wunderten sie sich über ihren Sohn, der den Schmerz seiner Freundin zu teilen schien.
Es war nicht verwunderlich, dass sich ihr Mitleid in Grenzen hielt. Auch war verständlich, dass Alberts Eltern hofften, dass Carmen Angeniess nun Holthausen verlassen würde. Sie hatte das Abitur, und es stand zu erwarten, dass sie zu irgendwelchen Verwandten in den Frankfurter Raum zurückgehen würde. Sie reagierten nur zögernd, als Albert überraschend beim Verzehren der Reistörtchen seine Linke auf Carmens Hand legte und aufsah.
»Eine Frage«, sagte Albert. »Können wir den Mercedes benutzen, um nach Groß-Gerau zur Beerdigung zu fahren?«
Sprachlos über die Dreistigkeit sahen sich Vater und Mutter an.
»Du hast mir noch zu wenig Fahrpraxis«, sagte Spatfeld nachdenklich.
»Es läge in unserem Sinne, wenn Sie und Ihre Frau uns begleiten würden«, sagte Carmen. »Frau Matewja Remsky könnten wir dann auch noch mitnehmen. In dem großen Mercedes haben wir alle Platz.« Sie schaute erwartungsvoll auf, aß ihr Reistörtchen und trank den Kaffee. Trotz ihres Kummers um ihren Vater wirkte ihr Gesicht schön.
Es lag nicht in Rudi Spatfelds Absicht, Albert ihren Wagen anzuvertrauen, noch hatten er und seine Frau daran gedacht, selbst nach Groß-Gerau zu fahren, um an der Beisetzung des ihnen fremden Arztes Dr. Xaver Angeniess teilzunehmen. Er schaute seine Frau und dann Albert verärgert an.
»Den Gefallen kannst du Carmen nicht abschlagen, Papa. Sie steht mutterseelenallein vor einem Haufen Probleme«, sagte Albert.
»Herr Spatfeld, ich bitte Sie darum«, sagte Carmen mit wehleidiger Miene.
»Wenn du keine Zeit hast, kann Mama ja fahren«, meinte Albert.
»Wann wird die Beerdigung stattfinden?«, fragte Frau Spatfeld. Sie sah ihren Mann sehr ernst an.
»Darüber hat uns Herr Stropp noch
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