Nebeltod auf Norderney
historische Trachtenkleider.
Der Geschäftsführer brachte die kleine Trauergemeinde zu ihrem Tisch, an dem sie Platz nahmen. Carmen erzählte von früher, als sich ihre Mama und ihr Papa gut verstanden hatten. Es war leicht herauszuhören, dass sie es nicht einfach gehabt hatte und zwischen beiden Elternteilen hin- und hergerissen worden war.
Auch die Polin lobte die beruflichen Kenntnisse ihres Lebensgefährten und sprach von einer Intrige des Chefarztes gegen ihren Xaver. Doch alles, was sie von sich gab, wirkte per se unwahr. Gemeinsam hatten sie in Düsseldorf auf die Wiederaufnahme seines Prozesses und die Zahlung einer Wiedergutmachung von Seiten der Stadt Frankfurt gewartet.
Die Spatfelds hörten uninteressiert zu. Zum Nachtisch gab es Rote Grütze. Danach tranken sie noch eine Tasse Kaffee. Herr und Frau Spatfeld staunten nicht schlecht, als Carmen Angeniess auch auf ihre Zukunft zu sprechen kam. Dabei hatte sie auch ihren Sohn Albert mit einbezogen.
Albert, der während der Fahrt geschwiegen, auch danach wenig gesagt hatte, widersprach nicht, sondern bestätigte diese Überlegungen. Sein Studium, das betonte er, möchte er gerne in Düsseldorfmachen, weil dort die künstlerische Richtung seinen Vorstellungen am nächsten komme.
Natürlich hatten die Eltern Einwendungen, übten aber kaum Kritik, weil sie der festen Meinung waren, dass bis dahin noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen würde. Sie hofften, dass ihr Sohn sich bis dahin in jeder Weise neu orientieren würde. Außerdem stand für sie fest, dass sich die gut aussehende Carmen Angeniess mit ihrem zigeunerhaften Äußeren bei der Übersiedlung nach Aachen vor Liebhaber nicht retten könnte.
Es war bereits 14 Uhr, als Carmen Angeniess die Rechnung bezahlte. Sie war zufrieden mit dem Verlauf der Beerdigung. Es war ihr gelungen, ihre Eltern in einem gemeinsamen Grab vereinigt und für sich eine Gedenkstätte geschaffen zu haben. Sie hatte das Gefühl, als hätte man ihr eine Last von den Schultern genommen.
Albert Spatfeld nahm sie an die Hand. Sie verließen den Gasthof und begaben sich zum Parkplatz des Friedhofs. Der Spaziergang nach dem Essen tat allen gut. Die Polin gab sich in die Obhut von Alberts Eltern. Sie hörten zu, als sie ihnen ihr Schicksal anvertraute, ihre Gründe nannte, die dazu geführt hatten, dass sie trank. Sie wollte Schluss damit machen und versuchen, aus dem Trinkermilieu auszusteigen.
Rudi Spatfeld versprach, ihr dabei zu helfen und eine Arbeitsstelle bei seiner Firma für sie zu besorgen. Er und seine Frau befürchteten nicht ohne Grund, ihr Sohn Albert könnte Carmen Angeniess hörig werden, denn es war erschreckend für sie mit anzusehen, wie er sich untertänig und ergeben von ihr chauffieren ließ. Den Eindruck behielten sie auch während der Rückfahrt, abgesehen von der Strecke, die der Vater ihm erlaubte, den Wagen zu steuern.
Doch noch etwas vermissten Alberts Eltern. Das war die Dankbarkeit. Carmen Angeniess hielt es nicht für nötig, den Eltern für ihre Teilnahme an der Beerdigung und die Bereitstellung des Wagens zu danken. Auch Albert machte keine diesbezügliche Bemerkung.
Als sie am Spätnachmittag die Polin in der »Hött« abgesetzt hatten und zu Hause in Holthausen ankamen, hatten Albert und Carmen nur den einen Wunsch, zu duschen und alleine zu sein. Wennauch die Beisetzung des Arztes Carmen Angeniess ganz besonders zugesetzt hatte, so fanden die Eltern es dennoch ungehörig, dass Carmen und Albert es nicht für nötig hielten, mit ihnen eine Tasse Kaffee zu trinken, und sich auch für das Abendessen abmeldeten.
Ungeachtet dessen vernahmen die Eltern bis spät in die Nacht lärmende Musik. Vertan war die Chance, sich im Gespräch näherzukommen.
So und ähnlich verhielten sie sich auch in Zukunft. Aus Furcht, Albert könnte falsch reagieren und das Haus verlassen, schritten die Eltern nicht ein. Immer häufiger gerieten sie stattdessen selbst aneinander.
Carmen trug weiterhin ihren Zopf, während Albert sich die Haare stutzen ließ. Das notierten die Eltern mit Wohlwollen. Immer noch glaubten sie nicht an eine Dauer der Beziehung.
Aus diesem Grunde war Frau Spatfeld froh, als Carmen und Albert mit dem Zug nach Aachen fuhren, um dort für Carmen ein Zimmer in der Nähe der TH zu suchen.
Carmen Angeniess besuchte mit Albert Spatfeld den ASTA. Dort erhielten sie eine Menge Adressen, denn der Zeitpunkt war günstig, weil die Examenssemester die Stadt verließen.
Carmen war wählerisch. Das
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