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Nebeltod auf Norderney

Nebeltod auf Norderney

Titel: Nebeltod auf Norderney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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sich frisch zu machen, denn nach dem großen Erfolg beabsichtigten Sie, den Abend in der Pontstraße in einer der vielen Studentenkneipen zu verbringen.
     
    Als Herbert Stamm die Volksschule in Neuss-Gnadental verließ, riet ihm der Klassenlehrer auf Grund der blendenden Noten eine kaufmännische Lehre anzustreben. Auch seine Eltern schlossen sich dieser Meinung an, wenn sie auch anfänglich lieber gesehen hätten, Herbert wäre wie die meisten Schüler der Abgangsklasse als Jungarbeiter in eine der vielen Fabriken gegangen, um Geld zu verdienen. Da waren die Traktorenfabrik Harvester International, die Nudelfabrik Schramm, die Ideal Standard mit der weit gefächerten Produktion und viele Werke mehr. Sie alle suchten Arbeitskräfte und zahlten gut.
    Sicherlich war das Ansehen eines Angestellten höher als das eines Fabrikarbeiters, doch dafür verdiente der, vorausgesetzt er konnte anfassen, wesentlich mehr. Da lag es nahe, dass Herbert Stamm als Lehrling seine Karriere im Kontor bei der Firma Wilhelm Werhahn, Mühlenbetriebe, begann, wo sein Vater all die Jahre als Stauer der Schiffstruppe im Neusser Hafen arbeitete.
    Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren gekennzeichnet durch Bescheidenheit. Tante-Emma-Läden führten die notwendigen,vollständigen Warensortimente. Sie konkurrierten nicht miteinander und gehörten zu einem Wohnviertel dazu. Der Plausch und der Klönschnack gehörten zum Einkauf. Das Angebot von aus der Reihe tanzenden Luxusangeboten fehlte gänzlich.
    Auch die engen Wohnungen zeichneten sich durch Bescheidenheit aus. Unvorstellbarer Nachholbedarf prägte das wirtschaftliche Warenangebot. Vom Gespenst der Arbeitslosigkeit sprachen nur ein paar verschrobene Professoren, die niemand ernst nahm. Arbeitswillige fanden eine zufrieden stellende Beschäftigung. Volksschülern gelang ohne Abitur, oft sogar ohne die mittlere Reife, der Aufstieg in der Betriebs- und Werkshierarchie.
    Auch für Herbert Stamm standen die Chancen nicht schlecht. Nach einer dreijährigen Lehre bestand er die Kaufmannsgehilfenprüfung, wechselte in eine Lebensmittelgroßhandlung und wurde dann in Neuss-Reuschenberg Filialleiter in einem der fünfzehn »Nova«-Supermärkte. Das Einzugsgebiet der Ladenkette waren die Städte Neuss und Grevenbroich. Die Geschäftslage war hervorragend.
    Herbert Stamm, ein gut aussehender, kräftiger junger Mann mit dunkelblonden Locken, lernte während der Prüfer-Lehrgänge bei der IHK Helma Edelhausen kennen, die Bürokauffrau gelernt hatte und bei einer Baufirma arbeitete. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie verdienten beide gut und mussten nicht um ihre Posten bangen.
    Helma Edelhausen war klein und zierlich. Sie und ihr Herbert bildeten zusammen ein hübsches Paar. Herbert Stamm hatte von zu Hause ein Grundstück bekommen, auf dem sie mit vielen Eigenleistungen ein Eigenheim errichten ließen. Sie heirateten aus Liebe.
    Die Belastung des Einfamilienhauses schmolz dahin, als Herberts Vater starb und ihm eine Lebensversicherung ausgezahlt wurde. Jahre später folgten ihm seine Mutter und dann kurz danach der Vater seiner Frau. Herbert und Helma trauerten um den Tod der Lieben, waren aber zufrieden mit ihrem Los und glücklich miteinander. Für sie ging es ständig nach oben.
    Der Fortschritt machte sich auf allen Ebenen spürbar. Es fehlte Herbert und Helma nicht an Mitteln, sich schick einzurichten unddas Haus zu pflegen. Sie kauften einen Lloyd und fuhren mit ihm wie Tausende Deutsche nach Italien in Urlaub. Zu ihrem Glück, da waren sich Herbert und Helma einig, fehlte ihnen ein Kind, das ihrem Leben einen tieferen Sinn geben würde.
    Alles klappte auf Wunsch. Helma wurde schwanger. Sie kündigte ihre Stelle als Buchhalterin bei dem Baumarkt und schenkte einem Mädchen das Leben. Sie nannten das Kind Marga. Nicht nur der Säugling sorgte oft für Aufregung und ungewohnte Unruhe. Die Zeit wurde unruhiger. Es begann das Geschäftesterben, zwar noch allmählich, nicht besonders sichtbar. Auch die Nova-Kette erhöhte immer mehr den Druck auf ihre Angestellten. Hinzu gesellten sich neue Verrechnungssysteme, die unter dem Einsatz effizienter Rechenmaschinen zu genauen Kosten- und Leistungsermittlungen führten. Wissenschaftlich ausgebildete Angestellte übernahmen die Leitung der mittleren Firmen.
    Herbert Stamm musste, wollte er bestehen, noch einmal die Schulbank drücken. Er besuchte am Abend die Kurse der Volkshochschule, und es kam häufig vor, dass er sich am Wochenende auf sein Zimmer

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