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Nebeltod auf Norderney

Nebeltod auf Norderney

Titel: Nebeltod auf Norderney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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zurückzog, um zu lernen oder seine betrieblichen Umsatzberechnungen zu erstellen.
    Helma versorgte die kleine Marga in Liebe rund um die Uhr, während Herbert sich die Zeit nahm, sich für sein berufliches Weiterkommen in seine Bücher zu vertiefen. Auch zu seinen Joggingabenden ging er nicht mehr.
    Helma ging es nicht viel besser. Sie hatte nicht einmal Zeit, ihre gehbehinderte Mutter in Wuppertal zu besuchen. Die kleine Marga nahm fast ihre ganze Zeit in Anspruch. Dazu kamen die Wäsche, die Sauberhaltung des Hauses und der Garten. Es gab Abende, da schlichen sie mit leeren Augen aneinander vorbei, ohne ein Wort zu wechseln. Vorbei waren die Zeiten des stundenlangen Kuschelns im Bett oder auf dem bequemen Doppelsofa.
    Ihre Freunde kamen seltener und wenn, dann meistens zu ungünstigen Zeiten. Das geschäftliche Klima gestaltete sich zusehends kälter. Herbert Stamm, der seinen Supermarkt hervorragend führte, hatte mit Umsatzrückgängen zu kämpfen, an denen er keine Schuldtrug. Er musste fachlich versierte Verkäuferinnen entlassen und unausgebildete Frauen stundenweise beschäftigen.
    Allmählich lernten er und seine Frau, mit der Belastung besser umzugehen. Marga schlief nachts durch und beglückte ihre Eltern mit ihrem süßen Lachen, wenn sie aufwachte. Helma packte sie in den Kinderwagen und ging fast täglich mit ihr in den städtischen Anlagen spazieren.
    Zu dieser Zeit atmete Herbert Stamm erleichtert auf, weil sich der Umsatz seines Marktes konsolidierte, zum Teil sogar leicht anstieg, was der Schließung einiger Läden in der Nachbarschaft zu verdanken war. Ihre Angst vor einer Entlassung nahm damit wieder ab.
    Ihre Gesichter entspannten sich, Frieden zog wieder ein, und sonntags kamen des Öfteren Freunde, tranken Kaffe und bewunderten die kleine süße Marga. Die Mutti blühte wieder auf und war wieder stolz auf ihre mädchenhafte Figur. Helma liebte es, sich schick zu machen, wenn sie Marga spazieren fuhr.
    Im Frühjahr, als Marga fast zwei Jahre alt geworden war, lernte Helma Stamm auf dem Spielplatz Ilona Büttgen kennen, die wie sie ein Mädchen von zwei Jahren großzog. Ihr Töchterchen hieß Sofie. Es war wie Marga ein hübsches und gesundes Mädchen mit blonden Haaren. Ilona Büttgen hatte eine kräftige Figur, aber ein feines Gesicht. Sie war mittelgroß und trug ihr dunkelblondes Haar im Bubikopfschnitt. Ihr Mann war Steuerberater. Auch sie litt darunter, dass ihr Mann mehr mit seiner Firma als mit ihr verheiratet war. Da gab es eine Menge von Parallelen, über die sie lachten, als sie diese zum Besten gaben.
    Auch Ilona Büttgen hatte vor der Geburt ihrer Tochter als Büroangestellte bei der Neusser Sauerkrautfabrik gearbeitet und war fest entschlossen, wenn Sofie das Kindergartenalter erreicht hatte, wieder zu arbeiten. Es war nicht das Geld, nein, darauf konnte sie ohne Not verzichten, sondern die Langeweile des Haushaltes, die sie hasste.
    Das sah Helma Stamm nicht anders. Auch die beiden Kleinen verstanden sich auf Anhieb gut. Sie zankten sich nicht, sondern nahmen sich an die Hände, spielten zusammen, pflückten Blumen oderkletterten an den Spielgeräten. Das war die Basis einer neu geschlossenen Freundschaft, die mit der Zeit immer enger wurde.
    Das hatte zur Folge, dass sich auch die Männer nicht verschließen konnten, und an einem Samstagnachmittag saßen Herbert Stamm, Marktleiter, und Johann Büttgen, Steuerberater, neben ihren Frauen auf einer Bank des Spielplatzes und sprachen sachkundig über die große »Wirtschaftsflaute«.
    Doch während Johann Büttgen die Zeit nutzte und sein viertes Haus im Düsseldorfer Flingern kaufte, lebte Herbert Stamm mit der ständigen Angst der Betriebsschließung, da seine Filiale im Einzugsbereich einer »Wal Mart«-Niederlassung lag. Das war für seine Chefs Grund genug, ohne Gehaltserhöhung von ihm und seinen Mitarbeitern das Letzte herauszuholen. Herbert Stamm verzichtete auf seinen Urlaub.
    Für Helma Stamm hatten diese Mehrbelastungen ihres Mannes unvorhergesehene Folgen. Er drohte nicht nur aus dem seelischen Gleichgewicht zu geraten, sondern ihm fehlte auch die Zeit, sich um sie und seine Tochter zur Genüge zu kümmern, denn er war morgens der Erste und abends der Letzte in der Firma.
    Sein neuer Freund Johann Büttgen begleitete seine Frau und das Töchterchen häufig zum Spielplatz, doch seine Frau Helma und Marga kamen alleine, weil der Papa keine Zeit hatte. Johann traf seinen Freund Herbert Stamm zu Hause recht selten an, dennoch

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