Nebeltod auf Norderney
machte er sich auf den Weg, ihn zu Hause zu sprechen. Marga Stamm spielte dann die Überraschte, lud den Gast zu einem Kaffee ein, der es sich leisten konnte, oft stundenlang dem Büro fern zu bleiben.
Das führte dazu, dass Helma Stamm in den Bus stieg, wenn Marga den Kindergarten besuchte, nach telefonisch vereinbarten Haltestellen fuhr, an denen der Liebhaber sie in seinem Mercedes abholte.
In Gnadental, am Silbersee, auf den Rheinwiesen oder in der Kämp gab es einsame Wege zur Genüge, die den Blicken Neugieriger versperrt blieben, wenn sich Helma und Johann in der frischen Luft auf moosigem Boden oder im bequemen Auto liebten.
Dabei verstand es Helma Stamm meisterlich, Ilona Büttgen eine gute Freundin zu sein und von ihrem Tun und den Orten des Geschehens abzulenken. Sie avancierte zu ihrer engsten Beraterin in gesundheitlichen und Kosmetikfragen. Sie lasen »Eltern« und ähnliche pädagogische Zeitschriften, tauschten sie aus und tätigten wie Schwestern zusammen ihren Einkauf.
Nie und nimmer hätte die gutmütige, durchaus naive Ilona Büttgen ihrer Freundin diese Schandtaten zugetraut, geschweige denn von ihrem Ehemann eine solche Niedertracht erwartet. Es muss betont werden, dass Herbert Stamm überhaupt nicht auf die Idee kam, sein guter Freund würde ihn mit seiner Frau betrügen. Er liebte seine Helma über alles. Sie tat ihm leid, weil sie oft unter seinen beruflichen Anforderungen leiden musste.
Er schlief mit ihr, wenn auch zwar nicht mehr in der Intensität wie früher, und kam dabei in keiner Weise zu kurz. Auch Ilona Büttgen freute sich, wenn ihr Mann abends gelöst mit ihr kuschelte und sich bemühte, ihr ein zweites Kind zu machen. Doch das wollte ihm nicht gelingen. Das stimmte sie traurig.
Doch ein Vielfaches erzielte die Wirkung einer Nachricht, die einer ehemaligen Arbeitskollegin so locker über die Lippen kam. Zurzeit besuchte sie ihre Mutter in Neuss. Sie hatten sich aus den Augen verloren. Sie hatte geheiratet und war zu ihrem Mann nach Münster gezogen, wo er als Lehrer arbeitete.
Nachdem die brennenden Neuigkeiten ausgetauscht waren, fragte die Kollegin naiv und ohne große Neugier: »Hast du nach der Scheidung wieder geheiratet?«
Ilona Büttgen verschlug es die Stimme. Dann lachte sie schallend.
»Wie kommst du darauf?«, fragte sie belustigt.
Die Freundin schaute sie verlegen an. »Dann habe ich mich geirrt«, antwortete sie. »Ich war mit meiner Schwägerin mit dem Fahrrad in Grimlinghausen unterwegs. Wir waren am Reckberg, und dort habe ich Johann gesehen. An der Seite einer kleinen, netten Frau. Sie trug eine Wildlederjacke.«
Ilona Büttgen rang mit sich. Sie gab sich unbefangen.
»Du musst dich versehen haben«, sagte sie gefasst. »Johann gehtes gut. Er hat einen festen Kundenstamm und macht im Moment noch Geld mit Immobilien.«
Sie gingen gemeinsam zum Kindergarten und holten die Tochter ab. Die Kollegin versprach, noch mal durchzuklingeln, bevor sie nach Münster fuhr, und verabschiedete sich.
Ilona Büttgen war nicht nur sprachlos, sondern auch ratlos. Ihr Johann betrog sie mit ihrer besten Freundin. Die kleine und nette Frau war nämlich niemand anderes als Helma Stamm! In ihrer tiefen Kränkung dachte sie an Herbert Stamm. Ein folgenschwerer Einfall, wie sich später herausstellen sollte.
Das Postamt lag in der Nähe. Sie nahm ihre Telefonkarte und suchte eine Fernsprechkabine auf. Mit tränenerstickter Stimme gab sie weiter, was sie von ihrer Kollegin erfahren hatte. Danach nahm sie ein Taxi und ließ sich mit ihrem Kind nach Düsseldorf zu ihrer Mutter fahren. Dort heulte sie sich aus.
An diesem Abend warteten Helma Stamm und die kleine Marga auf den Papa. Das kam oft vor, dass er erst kurz vor acht vom Supermarkt kam. Die Mama brachte schließlich die Kleine schon zu Bett, versprach ihr, dass der Pappi noch reinschauen würde, und ließ das Licht an.
Helma Stamm dachte sich auch nichts dabei, als Herbert auch um 20 Uhr 30 noch nicht zu Hause war. Erst um 20 Uhr 40 hörte Helma, wie er den Hausschlüssel in das Schloss steckte.
»Na endlich!«, rief sie und trat in den Flur.
Er hatte das Licht eingeschaltet und grinste grimmig. Sie sah die Pistole in seiner Hand. Zwei Schüsse hallten im Flur wider.
Herbert Stamm hatte seine Frau niedergestreckt. Er warf die Pistole von sich und ging zu seinem Nachbarn. Er drückte die Klingel.
»Ich habe meine Frau bestraft«, sagte er stockend und wies auf sein Haus.
»Mein Gott!«, rief die Nachbarin und
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