Nebeltod auf Norderney
rannte los.
Ihr Mann kam hinzu und hielt Herbert Stamm die Tür auf. »Was hast du?«, fragte er irritiert.
»Ich habe meine Frau getötet! Sie bestraft!«, schrie er.
»Hast du geschossen?«, fragte der Nachbar.
Herbert nickte, weinte und kam ins Haus. Erschüttert eilte der Nachbar zum Telefon und rief die Polizei an. Herbert Stamm setzte sich auf einen Küchenstuhl und schluchzte. Der Nachbar öffnete den Büfettschrank, entnahm ihm die Cognacflasche und zwei Gläser und füllte sie. Er nahm das Glas hoch und stürzte das Getränk in sich hinein.
»Herbert, du Unseliger, warum hast du das getan«, sagte der Nachbar und sah durch das Fenster, wie die übrigen Mitbewohner vor das Haus kamen. Dann erblickte er seine Frau. Sie trug Marga auf den Armen davon.
Herbert griff zum Cognac und trank ihn.
»Helma und Johann Büttgen haben mein Leben zerstört«, schluchzte er und horchte auf, als der Krankenwagen vor seinem Haus hielt. Als dann endlich ein Streifenwagen vorfuhr und die Polizeibeamten die Küche des Nachbarn betraten, wehrte sich Herbert Stamm nicht und ließ sich festnehmen.
»In der Lupinenstraße 143 gibt es einen weiteren Toten«, sagte er mit bleichen Lippen. »Es ist Johann Büttgen. Ich habe ihn ebenfalls bestraft. Die Waffe kommt aus seinem Waffenschrank. Er war Jäger.« Er senkte den Blick und ließ sich abführen.
Die Sanitäter schoben die Trage wieder in den Krankenwagen und fuhren auf Anraten der Polizisten zur Lupinenstraße.
Helma Stamm war tot. Der Notarzt war bei ihr und wartete auf die Bestattungsfirma. Vor dem Reihenhaus in der Erftstraße, in das Herbert Stamm so viel Arbeit und Geld gesteckt hatte, um seiner Familie Schutz und Geborgenheit zu geben, liefen immer mehr Menschen zusammen. Sie entzündeten Kerzen und legten Blumen ab.
Die Bluttat war ihnen unverständlich. Sie waren heilfroh, dass der Schütze seine Tochter hatte leben lassen.
In der Lupinenstraße 143 spiegelte sich ebenfalls das Entsetzen in den Gesichtern der aufgeschreckten Nachbarn wider. Drei Schüsse hatte der Täter auf sein Opfer abgegeben. Dem Hausherrn, ein geachteter und geehrter Steuerberater und Makler, der es durch Fleiß zu etwas gebracht hatte, war der Schütze bekannt gewesen. Er selbsthatte ihm die Haustür geöffnet. Seine Frau und seine Tochter waren nach Düsseldorf zu ihrer Mutter gefahren.
Herbert Stamm, so hieß der Mörder, hatte sich in der Wohnung ausgekannt. Er war seinem Opfer vorausgegangen, hatte im Arbeitszimmer aus dem Schrank des Jägers die Pistole entwendet. Unklar war noch, ob sie geladen gewesen oder von dem Schützen für die Tat präpariert worden war. Es war dabei nicht zu einem Kampf der Männer gekommen. Daraus war zu schließen, dass Johann Büttgen die Gefahr, in der er sich befand, nicht erkannt hatte. Der Mörder streckte ihn in seinem Wohnzimmer mit drei Schüssen in die Brust nieder.
Die Detonationen schreckten die Nachbarn auf. Als sie die Straße betraten, fuhr der Täter davon. Der aus dem Haus strömende Pulverdampf weckte ihre Neugierde. Sie benachrichtigten die Polizei. Auch hier fuhr der Krankenwagen unverrichteter Dinge zurück. Die Bestatterfirma holte auf Anweisung der Polizei die Leiche ab.
Die Motive des Täters warfen keine Fragen auf. Herbert Stamm zeigte keine Reue, als er auf der Anklagebank saß. Im Gegenteil, er widersprach selbst seinem Strafverteidiger, der bei der Schilderung seiner beruflichen Situation den mächtigen Druck, den seine Angst vor weiteren Umsatzrückgängen und damit vor einer Entlassung hervorgerufen hatte, strafmildern anbrachte. Der Angeklagte stand zu seinen Taten. Er nannte den Tod seiner Frau und seines ehemaliges Freundes eine gerechte, wohlverdiente Strafe für deren jahrelanges, hinterhältiges Betrugsspiel.
Dabei bedauerte er seine kleine Tochter Marga, die er über alles liebte. Unter Tränen wünschte er den Juristen eine glückliche Hand bei der Auswahl der Fremden, bei denen sie heranwachsen werde. Sie konnte später selbst über seine Taten richten. Er bedauerte es zutiefst, dass er Ilona Büttgen zur Witwe gemacht hatte.
Der Prozess dauerte fünf Wochen und brachte klar zum Ausdruck, dass Helma Stamm und Johann Büttgen nach einem ausgeklügelten System ihre Partner fast drei Jahre lang an der Nase herumgeführt und nicht auf die Idee gekommen waren, die Konsequenzen ihres schrecklichen Tuns zu ziehen. Das Gericht missbilligte allerdingsdie Selbstherrlichkeit des Schützen, mit der er seine Opfer
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