Nebeltod auf Norderney
Opa hatte ihm die Reise zum Geburtstag geschenkt.
»Junge, mir war es nicht vergönnt, in Manhattan die Hochhäuser zu bewundern, auf der Plattform des Empire State Building zu stehen und im Central Park zu bummeln. Jetzt habe ich das Geld, aber eine kranke Frau«, hatte er gesagt.
Als Phillip kurz vor Reiseantritt die Reiseunterlagen abholte, bediente Marga Stamm ihn wieder. Sie erklärte sich gerne bereit, mit ihm im Stadtcafé eine Tasse Kaffee zu trinken.
Am Freitagabend nach Feierabend stieg Marga Stamm zu Phillip Matulla in den Opel Kadett und fuhr mit ihm bei herrlichem Wetter zum Mühlenbusch. Die Bäume trugen junge Blätter. Die Luft roch mild und würzig. Sie spazierten Hand in Hand durch den Wald, ohne viel zu sprechen. Hin und wieder blieben sie stehen und küssten sich. Sie hatten sich gefunden für einen langen gemeinsamen Weg.
Anschließend aßen sie im Klosterhof ein Schinkenbrot und tranken dazu Kaffee. Da gab es eine Menge zu erzählen. Dazu reichte der Abend nicht. Sie trafen sich auch am nächsten Tag, und als Phillip Matulla nach Amerika flog, fühlte er zum ersten Mal einen leichten Abschiedsschmerz.
Schon vom Äußeren her wurden die Behinderten des Birkenhofes von vielen Menschen geschnitten, und es gehörte eine Menge Nächstenliebe dazu, sie zu betreuen. Dabei machten sie ihren Betreuern und Zivildienstleistenden oft das Leben schwer, wenn sie uneinsichtig auf ihre Anforderungen reagierten.
Albert Spatfeld musste ständig auf der Hut sein und sie zur Mitarbeit motivieren. Anfangs fiel es ihm nicht leicht, seinen Ekel zu überwinden, wenn er sie zur Toilette begleitete. Sie unterlagen unberechenbaren Gemütsschwankungen und entwickelten enorme Kräfte, wenn sie ausrasteten.
In der Regel wurden die Schützlinge nach dem Frühstück in die Werkstätten geführt, wo sie an den Arbeitstischen einfache Metallteile miteinander verschraubten. Dabei war es an der Tagesordnung, dass irgendjemand von ihnen quengelte. Es war eine nervenaufreibende Angelegenheit, die Albert Spatfeld oft zur Verzweiflung brachte.
An den freien Tagen fuhr er nach Aachen, seine Freundin Carmen Angeniess besuchen. In der Studentenstadt gab es eine Menge preiswerter und gemütlicher Kneipen, deren Besuch für Ausgleich sorgte. Seine Eltern sahen das zwar nicht gerne, sie waren aber andererseits mit ihm sehr zufrieden. Er versah ohne Meckerei seinen harten Dienst und bereitete ihnen auch anderweitig keine Probleme.
Auch Carmen Angeniess wusste, worum es ging. Sie nahm dasStudium ernst und hatte sich zu ihrem Vorteil verändert, wie Alberts Eltern nach einem Besuch in Aachen meinten. Davon profitierte auch ihr Sohn. Carmen legte jetzt Wert auf elegante Kleidung, frisierte ihr schwarzes Haar elegant zu einem Dutt und beeinflusste Albert insoweit, dass er selbst dem Kauf eines eleganten Anzuges zustimmte, den er bei festlichen Angelegenheiten trug.
Albert Spatfeld hatte sich mit elterlicher Unterstützung einen Golf gekauft. Er lebte in Harmonie im elterlichen Haus. Allerdings wurde sie beeinträchtigt, wenn Albert auf seine Studienpläne zu sprechen kam. Frau Spatfeld und ihr Mann hatten alles unternommen, ihn umzustimmen. Doch er blieb bei seinem Vorsatz.
Gegen Ende seines Ersatzdienstes meldete er sich zum Kunststudium für das kommende Semester an und reichte die geforderte Kunstmappe mit selbst erstellten Arbeiten bei der Düsseldorfer Kunstakademie ein. Sie boten einen guten Querschnitt verschiedener Motive und sprachen für seine Begabung. Es waren Aquarelle von den Rheinlandschaften bei Himmelgeist und Benrath, Federzeichnungen aus der Alltagswelt und jede Menge Aktarbeiten von Carmen.
Zum Leidwesen seiner Mutter bekam er einen Studienplatz an der immer noch berühmten Kunstakademie. Die Mutter zeigte sich versöhnlich. Sie rief Carmen Angeniess in Aachen an und bat sie, an einer kleinen Feier am Tage der Immatrikulation zu Ehren ihres Sohnes teilzunehmen.
An diesem Abend, der sehr harmonisch verlief, eröffnete Alberts Vater ihm, dass er die Kosten des Studiums voll übernehmen werde, und dazu, um eine klare Trennlinie zwischen dem werdenden Künstler und seinen bürgerlichen Eltern zu ziehen, die Miete für eine angemessene Wohnung in der Nähe der Akademie bezahlen werde. Denn, so begründete der Vater seine großzügige Haltung, »Albert braucht Platz, um sich in jeder Richtung zu entwickeln.«
Das war mit Sicherheit eine kluge Entscheidung. Albert nahm das Angebot dankend an. Er verpflichtete sich,
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