Nebeltod auf Norderney
dem Vater, natürlich auch der Mutter, mit guten Leistungen zu danken. Und feierlich wie einen Schwur gab er allen an diesem Abend ein außergewöhnliches Versprechen.
»Liebe Eltern und liebe Carmen, heute am Abend meiner Immatrikulation verspreche ich dankbar, dass der Name Spatfeld einst Berühmtheit erlangen werde, so wahr mir Gott helfe.«
Das nahmen die Eltern mit Gelächter entgegen. Sie befürchteten, dass ihr Sohn der schönen, zigeunerhaften Carmen Angeniess nicht nur hörig, sondern ihr auch geistig unterlegen war. Sie hatte das Zeug zu einer guten Ärztin. Dem gegenüber stand seine versponnene Idee, als Künstler in dieser materiellen, harten und brutalen Welt Fuß zu fassen.
Während Albert sich in der neuen Wohnung auf der Jan-Wellem-Straße, in Düsseldorfs berühmter Altstadtlage im dritten Stock gelegen, einlebte, bestand Carmen Angeniess das Physikum, die erste Hürde eines jeden Medizinstudenten, mit der Traumnote »eins«. Sie und Albert pendelten an den Wochenenden zwischen Düsseldorf und Aachen. Und auch in den Semesterferien lebten sie zusammen, mal hier, mal da. Sie war als Studentin im Besitze einer kostenlosen Bezirkskarte der Bundesbahn, und Albert war mit seinem Golf unabhängig.
Sie nahmen Teil am kulturellen Leben der schönen Großstädte. Das auszunutzen fiel beiden sozusagen in den Schoß, denn Carmen Angeniess bekam schon sehr früh von ihrem Professor eine Doktorarbeit, die sowohl die Forschung des Aachener Klinikums als auch die der Düsseldorfer Uniklinik betraf. Im Vordergrund ihrer Arbeit stand das medizinische Interesse an der Haltbarkeit der künstlichen Hüftgelenke bei Patienten über 65 Jahren.
Auch Albert fand eine lohnende Heimarbeit. Für einen Tapetenhersteller in Düren entwarf er Muster, die er den Kindersendungen der Fernsehanstalten zu entnehmen hatte. Die Tätigkeit erfüllte ihn mit Stolz. Sie diente ihm als Beweis seiner Begabung und für seine These, dass auch in der heutigen Zeit die Künstler nicht verhungern müssen.
Natürlich bewunderten die Eltern die nach Alberts Entwürfen hergestellten Kindertapeten, sahen darin aber keinen Beweis für die Rentabilität seines Studiums. Im Gegenteil zeichnete sich bereits ab, was sie vorausgesehen hatten.
Wenn Carmen in der Universitätsklinik an den Ärzteberichten saß oder Patientenbefragungen auswertete, stand Albert in der Küche oder an der Waschmaschine, und abends fand er dann zu seinen Tapeten.
Als Vater Spatfeld bei der Firma Henkel mit einer hohen finanziellen Abfindung in den vorgezogenen Ruhestand gehen konnte, war es die Mutter, die ihn drängte, das Angebot anzunehmen. Sie kränkelte und klagte ständig über Schmerzen. Daraufhin vermieteten sie ihr Haus in Holthausen, zogen nach Mallorca und kauften sich dort eine Eigentumswohnung. Es war nicht nur das mediterrane Klima, sondern auch der Abstand zu Albert und Carmen, die es mit sich brachten, dass Mutter Spatfeld im fernen Spanien auflebte.
Selbstverständlich riss der Kontakt nicht ab. Albert besuchte seine Eltern in den Semesterferien, meistens alleine, während Carmen sich auf das Examen vorbereitete. Auch Albert machte Fortschritte, musste dennoch etliche Semester hinter sich bringen bis zum Examen.
Albert war in der Tat völlig ausgelastet. Der Haushalt und die gut florierende Nebentätigkeit für die Tapetenfabrik in Düren füllten seine Zeit aus. Daran änderte sich auch nichts, als Carmen das Examen bestand und kurz danach ihren Doktor machte.
Sie setzte in Aachen am Klinikum ihre Facharztausbildung fort, während Albert in Düsseldorf begann, sich auf sein Examen vorzubereiten. Für beide begann eine stressige Zeit. Sie sahen sich wenig. Albert saß unter Examensdruck, und Carmen leistete am Klinikum in Aachen die praktische Krankenhauszeit mit den anfallenden Überstunden ab.
Doch auch diese Zeit hatte ein Ende. Albert feierte schließlich sein Examen und Carmen ihre Fachärztin. Sie blieb am Klinikum in Aachen. Albert gab die Wohnung in Düsseldorf auf, zog als freier Künstler zu Carmen nach Aachen. Er träumte von einer zukünftigen, produktiven Zeit als Maler in der alten Kaiserstadt.
Carmen zeigte ihm ihre Verbundenheit und heiratete Albert, der noch keine potenziellen Käufer für seine neuen Werke gefunden hatte. Doch überraschte ihn die frohe Nachricht, dass er Vater wurde.
Carmen bekam ihr erstes Kind. Anlässlich des freudigen Ereignisses kamen die Eltern von Mallorca zu Besuch nach Aachen. Die Freude war groß. Sie
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