Nebeltod auf Norderney
»Danke!«, sagte sie. Sie lehnte sich leicht an ihn und schritt mit ihm an der Bank vorbei zum Café »Barcelona«. Sie bestellten bei dem Ober zwei Milchkaffee und zwei Croissants.
»Ich besuche Sie in Ostfriesland, wenn Ihre Trauerzeit zu Ende ist«, sagte Albert Spatfeld mit warmer Stimme und drückte ihre Hand gegen sein Herz.
»Gern! Es fällt mir schwer, von Kevin Abschied zu nehmen«, sagte sie.
Sie nippten an den Tassen und aßen die Croissants.
»Der Tod Ihres Mannes hat Ihnen viel Kummer erspart. Sein Wunsch waren Kinder. Vielleicht hätte er mit einer anderen Kinder gezeugt«, sagte er.
Sie nickte. »Dennoch bedauere ich seinen plötzlichen Tod.«
Er zahlte beim Ober.
»Ich muss den Bestatter in Hage anrufen und im Reisebüro anfragen, ob ich einen Flug bekomme«, sagte sie.
Sie gingen zum Wagen und fuhren nach Hause.»Schade, dass Tante Heide nach Deutschland musste«, sagte Kevin. Auch Albert Spatfeld bedauerte ihre Abreise. Auch er hatte sich mit der Lehrerin, die so jung zur Witwe geworden war, ausgezeichnet verstanden.
Heide Calvis hatte nach ihrer Ankunft in Hage sofort Albert Spatfeld in Nerja angerufen und ihm ihre Abneigung und ihren Missmut mitgeteilt, die sie gegenüber dem empfand, was ihr bevorstand. Das Wetter war wie so oft in Ostfriesland kalt und regnerisch. Ihr Haus in Berumbur kam ihr riesig vor. Sie sehnte sich zurück nach Spanien. Doch vorerst wurde sie zuhause gebraucht.
Später schrieb sie ihm wörtlich: »Die Prokuristen meines Mannes und die Gewerkschaftsvertreter erwiesen sich als äußerst loyal und stellten ein gutes Beraterteam bei den Verkaufsverhandlungen der Firmen dar. Es ziemt sich nicht, doch es ist anzumerken, dass ich meinem Mann danken muss für den enormen Reichtum, den er geschaffen hat. Ich bin aller Sorgen frei. Ich glaube, es ist überflüssig, hinzuzufügen, dass ich oft an den lieben Kevin denke. In der Hoffnung, ihn bald wiederzusehen, verbleibe ich Ihre Heide Calvis.«
Albert Spatfeld war über den Empfang, den seine Frau ihm und dem Sohn bereitet hatte, nicht gerade begeistert. Schon ihre Stimme am Telefon ließ keine Begeisterung vermuten, als er ihr nach brieflicher Voranmeldung noch mal zur Sicherheit vom Düsseldorfer Flugplatz ihre Ankunft mitteilte.
Mit einer zweistündigen Verspätung erschien sie ohne sichtbare Freude, reichte ihrem Mann die Hand und nahm Kevin auf den Arm, küsste ihn und trug ihn zum Auto. Albert nahm das Gepäck.
»Wo hast du so lange gesteckt?«, fragte er und verstaute den Koffer, die Tragetasche und den Rucksack.
»Bei Betti Deune, einer Kollegin. Ich vertrete sie morgen«, antwortete sie kalt. Sie setzte Kevin auf die Rückbank des Wagens und nahm hinter dem Steuer Platz. Auch Albert stieg ein.
»Du bist braun geworden in der Sonne«, sagte sie zu Kevin.
»Es war schön am Strand«, sagte Kevin. »Da wuchsen Palmen. Oben waren Felsen und unten das Meer und der Sand.«
Carmen startete den Motor. »Hast du auch gebadet?«, fragte sie.
»Ja, mit Papa. Auch mit Bärbel. Sie war mit ihrem Opa und ihrer Oma da«, erzählte er.
»Wie war es zu Hause?«, fragte Albert und sah sie an.
»Ich war viel im Klinikum. Rechnungen sind gekommen und keiner hat nach einem Bild gefragt«, antwortete sie ironisch. Sie fuhr in Richtung Autobahn.
»Noch bin ich Hausmann. Später kann ich mich nicht retten vor Aufträgen«, gab er zurück.
Sie schwiegen.
»Mama, fährst du auch einmal mit mir nach Nerja?«, fragte Kevin.
»Die Mama hat dafür keine Zeit. Es gibt zu viele kranke Menschen in Aachen, die Mama heilen muss«, sagte er und lachte.
»Das stimmt insoweit, dass das Klinikum zu klein geraten ist und wir Ärzte jede Menge unbezahlte Überstunden machen, um die Patienten zu versorgen«, antwortete Carmen Spatfeld.
»Hat die Mama denn heute Abend für den Papa Zeit, das Wiedersehen zu feiern?«, fragte Albert Spatfeld.
»Ich fahre in Aachen beim Bäcker vorbei. Kevin und du sucht euch Kuchen aus. Wir trinken zuhause Tee und ich höre dann zu, wenn ihr berichtet«, sagte sie.
»Ja fein. Wir haben im Flugzeug Essen bekommen«, antwortete Kevin.
»Ich muss anschließend wieder zum Dienst. Vergiss nicht, dass ich das Geld verdiene«, sagte sie schnippisch.
»Das bisschen Haushalt, sagte meine Frau«, parodierte er einen Schlager bissig.
»Albert, was soll das? Wenn Kevin in die Schule kommt, dann kannst du dir für ein paar Stunden am Tag eine Arbeit suchen«, sagte sie und fuhr auf der Autobahn über die Rheinbrücke.
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