Nebeltod auf Norderney
verbringen. Treffpunkt war der Strandkorb 897, der im hinteren Drittel des Strandes stand.
»Wir gehen heute Abend noch einmal in das Dorf, vielleicht sehen wir uns noch«, sagte Albert Spatfeld.
»Tante, nach dem Abendbrot probiere ich mein Kettcar aus«, sagte Kevin und gab ihr die Hand. Sein Vater drückte Tante Heide an sich, dann machten sie sich auf den Weg.
Sie gingen an den Tennisplätzen vorbei und wählten die Straße, die zum Schwimmbad und Kurhaus führte. Dort entdeckten sie einen Supermarkt, der ihnen die Gelegenheit bot, für das Abendessen einzukaufen. Anschließend nahmen sie die Straße am Deich entlang, die zu ihrer Wohnung führte.
Albert Spatfeld bereitete Spaghetti aus einer Fertigpackung zu, die beiden gut schmeckten. Er beabsichtigte sich in den nächsten Tagen ein Herz zu nehmen und Heide Calvis zu sagen, dass er sie liebte.Er war willens, sie zu heiraten. Sie würde Kevin eine gute Mutter sein. Heide Calvis hatte durchblicken lassen, dass sie ihn ebenfalls mochte. Natürlich würde er dabei die Meinung des alten Herrn respektieren, den er instinktiv nicht sonderlich mochte.
Es war ein herrlicher Abend. Die Temperatur des Tages war auf angenehme 18 Grad gefallen und der Abendwind blies lau aus westlicher Richtung, als Albert Spatfeld mit Kevin zum Schuppen ging. Sie holten das Kettcar. Kevin drehte begeistert einige Proberunden und fuhr dann mit Schneid in Rufweite voraus. Sie nahmen den Weg an der befestigten Brandungsseite vorbei, der zum Hafen führte.
Die Sonne ging unter. Gegenüber lag der Sandzipfel von Norderney mit dem verrotteten Schiffswrack. Es waren keine Wanderer unterwegs zu dieser Essenszeit. Zudem war noch Vorsaison. In der Nähe des Bauhofes entdeckte Albert Spatfeld den Vater von Heide Calvis. Sein Rollstuhl stand am Rande des Betonweges oberhalb der Böschung in der Nähe der Brandung.
»Oh, Herr Heynen, brauchen Sie Hilfe? Kann ich was für Sie tun?«, fragte er. Kevin war voraus und schon hinter der Rundung der Schutzmauer.
Der Alte sah ihn an, schüttelte den Kopf und stieß einen Schrei aus, als sich der Rollstuhl in Bewegung setzte. Er holperte über die schweren Basaltsteine und stürzte die Böschung herab, kippte um und versank in den anrollenden Wellen der Flut, während der alte Mann kurz im brodelnden Wasser auftauchte und dann unterging.
Albert Spatfeld schien es für einen Moment den Atem verschlagen zu haben. Er war ein exzellenter Schwimmer. Er warf die Lederweste von sich, zog blitzschnell die Schuhe aus, sprang ins Wasser und tauchte nach dem alten Herrn. Das schaumige Wasser war unklar. Er kam an die Oberfläche, holte Luft, tauchte erneut und suchte nach dem Mann. Strudel erfassten ihn. Er gab nicht auf und sah den alten Lehrer schließlich im Tal einer Welle treiben.
Er hatte Mühe, mit dem Toten an Land zu schwimmen. Er sah Kevin, der neben seinem Kettcar stand und weinte. Zwei Männer stürzten heran. Einer von ihnen benutzte ein Handy, der andere kam ihm beherzt zu Hilfe. Er machte ein paar Schritte ins Wasser und ergriffden Leichnam, der gespenstisch den Bewegungen der Wellen folgte. Das Wasser schleuderte sie gegen die Steine. Unter größten Mühen gelang es ihnen, den Leichnam anzulanden.
Albert Spatfeld watete ein paar Schritte zurück und ergriff den Rollstuhl, der mit den bereiften Rädern aus dem Wasser ragte. Die beiden Männer halfen ihm, das Gefährt herauszuziehen. Die Bremsen waren nicht angezogen. Dann kroch er auf allen Vieren aus dem Wasser. Vor Erschöpfung sank er zu Boden.
»Es war umsonst«, sagte er zu den beiden Männern.
Sein Sohn weinte. »Papa, ich habe mir Sorgen gemacht«, sagte er und schaute ängstlich auf den alten Mann, für den jede Hilfe zu spät gekommen war.
»Ich wollte ihn retten«, sagte Albert Spatfeld.
Eine Frau, sie mochte um die vierzig sein, kam heulend herangestürzt. Sie konnte nicht begreifen, was passiert war. Es war die Schwester, die den alten Herrn betreute. Sie war nur kurz bei ihrer Bekannten gewesen, hatte dort ihre Notdurft befriedigt, die plötzlich über sie gekommen war. Sie war untröstlich.
Der eine Helfer neigte sich über Albert Spatfeld. »Sie sind ein Held. Sie haben Ihr Leben eingesetzt, um sein Leben zu retten«, sagte er.
Sie hörten das Aufheulen eines Motors. Drei Männer von der DLRG brachten ihr Boot in Sprechnähe und fuhren wieder zum Strand, da jede Hilfe zu spät kam. Der Arzt stellte sein Fahrrad an die Sturmmauer und kam näher. Er hörte zu, reichte Albert
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