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Nebeltod auf Norderney

Nebeltod auf Norderney

Titel: Nebeltod auf Norderney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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den frischen Seewind. Die Tennisplätze lagen zwischen den Dünen. Sie sahen eine Weile zu, und Albert Spatfeld erklärte Kevin die Regeln.
    Das Haus, in dem Heide Calvis wohnte, lag nicht weit entfernt. Es war ein mehrstöckiges Gebäude, in dem der Vater der ehemaligen Lehrerin wohnte. Im Parterre befanden sich seine geräumige Vierzimmerwohnung und ein Apartment seiner Pflegerin. Die übrigen Wohnungen waren an Feriengäste vermietet. Die gelernte Therapeutin unterstützte den kranken Mann, der im Rollstuhl saß. Eine Treppe führte zum Eingang. Daneben befand sich die glatte Auffahrt für den Rollstuhl des alten Herrn. Er war siebzig, wie Albert Spatfeld wusste.
    Er drückte die Türklingel. Der Summton ertönte. Sie betraten einen geräumigen Korridor. Die Wohnungstür öffnete sich und vor ihnen stand Heide Calvis. Sie trug eine enge weiße Jeans und ein dunkelblaues Polohemd. Sie nahm Kevin an die Hand.
    »Schön, dass ihr da seid. Kommt mit, der Opa ist schon ganz aufgeregt, euch zu begrüßen«, sagte sie und führte den Besuch in das Wohnzimmer.
    Es war mit alten Möbeln eingerichtet, die Albert Spatfeld nicht sonderlich mochte. Auch die Bilder trafen nicht seinen Geschmack. Vielleicht lag es auch an dem Alten, der ihn neugierig musterte, sodass er sich nicht wohl fühlte in dem Zimmer, das viel freie Fläche für seinen Rollstuhl ließ. Eine leichte Sommerdecke lag über seinenBeinen. Er trug ein buntes Oberhemd mit frischen Farben. Sein Gesicht war knochig und blass. Er hatte volles weißes Haar. Auf dem Tisch vor ihm lagen die aufgeschlagene Bibel und eine Brille. Sein Blick war durchdringend.
    »Ich bin der Vater dieser jungen Frau, die das Schicksal zu früh zur Witwe gemacht hat«, sagte er stockend mit müder Stimme. Dann wandte er sich an Kevin, wobei seine Augen einen milden Glanz annahmen. »Du bist ein hübscher Junge und ein lieber Kerl.«
    »Auf das Urteil meines Vaters kann ich mich verlassen«, sagte Heide Calvis lächelnd.
    »Nehmen Sie bitte mit dem Jungen auf dem Sofa Platz«, sagte der Alte. »Wir sehen uns später. Meine Tochter schiebt mich eben vor die Tür. Meine Therapeutin fährt mich aus.«
    »Vater, ihr könnt mit uns Kaffee trinken«, sagte Heide Calvis.
    »Es ist peinlich, einem Mann zuzuschauen, der seine Arme nicht mehr unter Kontrolle hat«, sagte er mürrisch.
    Sie trat hinter den Rollstuhl und schob ihn aus der Wohnung in den Korridor.
    »Ist der Opa krank?«, fragte Kevin.
    »Ja, und sehr alt«, antwortete Albert Spatfeld missmutig. Er war froh darüber, dass der Alte das Zimmer verlassen hatte.
    Heide Calvis kam zurück. »Mein Vater ist sehr eigen. Erst die Darmoperation und dann der Schlaganfall. Schwester Fenna kümmert sich um ihn.« Sie trat an das Büfett und deckte den Tisch. »Wir trinken Tee und Kevin Kakao.« Sie ging in die Küche. Kevin begleitete sie und sah ihr zu. Sie setzte Wasser auf und holte die Ostfriesentorte aus dem Kühlschrank.
    »Warst du mit deinem Papa schon im Schuppen eurer Ferienwohnung?«, fragte sie.
    »Ja, warum fragst du?«, erwiderte er und lächelte verschmitzt.
    »Hast du dort das Kettcar gesehen?«, stellte sie die nächste Frage und schaute ihn schelmisch an.
    »Darf ich damit fahren?«, fragte er.
    »Es gehört dir. Ich schenke es dir«, erwiderte sie.
    »Oh, Tante – danke!«, rief er.
    Sie bückte sich zu ihm nieder und gab ihm einen Kuss. Dann lief er ins Wohnzimmer, um das seinem Papa mitzuteilen.
    Heide Calvis brachte die Torte und stellte sie auf den Tisch. Sie holte den Kakao und den Tee. Sie schenkte Kevin den Kinderbecher voll.
    »Nehmen Sie bitte von dem Kluntje«, forderte sie Albert Spatfeld auf und schenkte ihm Tee ein. Sie reichte ihm die Sahne und servierte die Sahnetorte, dabei schaute sie Albert Spatfeld in die Augen. »Was macht die Malerei?«
    Sie aßen die Torte. Albert Spatfeld nahm Fotos aus seiner Brieftasche und zeigte sie ihr. Sie zeigten Abbildungen seiner Werke. Sie fand lobende Worte, doch da gab es Gesichtspunkte, die sie nicht mit ihm teilte. Der Abstraktionsgrad war ihr zu stark. Er konnte ihre Betrachtung nicht nachvollziehen.
    Heide Calvis fand Gefallen an dem Gespräch über die Kunst, und auch Albert Spatfeld fühlte sich wohl in ihrer Nähe, während Kevin auf der Erde vor dem Fernseher saß und eine Tiersendung aus Afrika sah. Dieses traute Beisammensein vermisste Heide Calvis.
    Der Besuch machte sich gegen achtzehn Uhr auf den Weg nach Hause und beschloss, den morgigen Vormittag am Strand zu

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