Nebeltod auf Norderney
gefasst. »Der Schwester ist kein Vorwurf zu machen. Ich habe mit Herrn Zürn vom Beerdigungsinstitut gesprochen. Die Beisetzung wird voraussichtlich am Freitag hier auf Baltrum sein. Er wird im Grab neben Mutter beigesetzt. Wir werden beim Pächter unseres Cafés im Kreise seiner früheren Kollegen und Inselfreunde die Teetafel herrichten lassen.«
»Wenn du mich brauchst, sag mir das. Wann geht morgen die Fähre?«, fragte er.
»Um elf Uhr vom Festland und um sechzehn Uhr dreißig ab hier. Zeit genug, mit dem Bestatter alles zu besprechen und die Adressenliste zu schreiben. Ich schlage vor, wir essen morgen im ›Seehund‹, dort wird es Kevin auch gefallen«, sagte sie. Sie legte ihren Kopf an seine Brust.
»Wenn du möchtest, dann heiraten wir irgendwann im Herbst«, sagte er verträumt.
»Einverstanden, und dann fahren wir nach Nerja«, antwortete sie glücklich.
»Und wo wohnen wir? In Aachen oder hier an der Küste?«, fragte er und lachte.
»Wenn der Künstler die Frage noch zurückstellt, bis ich ihm unser Haus in Berumbur gezeigt habe. Aber Aachen wird mir auch gefallen«, sagte sie.
»Wichtig für mich dabei ist nur, dass wir zusammen sind. Ich liebe dich, Heide«, sagte er.
Sie nahm seinen Kopf zwischen ihre Händen und lehnte sich zurück. »Ich liebe dich auch«, sagte sie und zog ihn zu sich. Sie knöpfte ihm das Hemd auf, strich über seine behaarte Brust und kuschelte sich an ihn. Er zog sie aus und entkleidete danach sich selbst.
Sie gehörten beide zu den schönen Menschen und freuten sich an ihrer Nacktheit. Sie küssten sich und liebten sich auf dem Teppichboden der Ferienwohnung. Danach löschten sie das Licht und gingen hinauf zum Schlafzimmer. Heide klammerte sich eng an ihn und schlief schnell ein. Sie glaubte zu träumen, als sie am Morgen erwachte und Albert sie zärtlich küsste und sie sich berührten. Wegen des warmen Wetters hatten sie nackt unter der Steppdecke geschlafen. Zusätzlich sorgte die lange Entwöhnungszeit für ein weiteres Aufflackern ihrer Lust.
Mit Freudentränen in den Augen gestattete sie es schließlich Kevin, als er erwachte, zu ihr ins Bett zu steigen und sich zwischen ihr und seinen Papa zu legen.
Heide Calvis hatte ihren Vater verloren, aber einen liebenden Mann und einen Sohn gewonnen. Bald würde sie die Frau des Malers sein. Der überglückliche Albert bestand darauf, während Kevin und Heide sich wuschen und anzogen, Brötchen zu holen und das Frühstück zu machen.
Ohne einen Hauch von Traurigkeit saß Heide Calvis nach einer langen Zeit wieder in einer glücklichen Familie um den Frühstückstisch. Sie aßen Käsebrötchen, tranken Tee und Kakao und waren guter Dinge, während der Seenebel, der sich über Baltrum zusammengebraut hatte, verflog und die Sonne einen schönen, warmen Strandtag verhieß.
Nach dem Frühstück verließ Heide das Ferienhaus und ging zu ihrer Wohnung. Sie setzte sich an den Schreibtisch und begann mit der Erstellung der Liste der Trauergäste. Später, das hatte Zeit, wollte sie einen Stein kaufen, der an Vater und Mutter erinnerte. Es waren nur wenige Gäste vom Festland, die sie einlud. Unter ihnen war der Oberschulrat von Norden, der noch im Dienst war.
Als Herbert Zürn, der Bestatter, nach 11 Uhr mit der Fähre kam, besprach Heide Calvis mit ihm die Einzelheiten der Bestattung.Gegen Mittag ging sie zum »Seehund« und traf sich dort mit Albert und Kevin. Sie bestellten bei der Bedienung eine Vorsuppe und aßen Nordseescholle mit Buttersauce und Petersilienkartoffeln, ein Gericht, das ihnen hervorragend mundete.
Heide hatte zu der schwarzen Jeans eine anthrazitfarbene Bluse angezogen. Sie hatte am Nachmittag einen Termin beim Pastor.
Nach dem Essen suchten Albert und Kevin wieder den Strand auf. Abgesehen von ein paar vorüberziehenden Wolkenbänken zeichnete sich der Frühsommer schon seit Tagen mit schönem Wetter aus. Albert Spatfeld hatte um den Strandkorb mit Kevin eine Sandburg gebaut. Sie badeten bei Hochwasser in den Wellen und genossen die unbeschwerten Stunden. Kevin fand schnell Kontakt zu anderen Kindern, die mit ihm spielten.
Albert fand Gefallen am Inselleben. Heide Calvis besaß auch noch auf Norderney eine Wohnung. Sie hatte sie von ihrem Mann geerbt. Sie lag dicht am Zentrum in Strandnähe auf der Kaiserstraße. Sie sprach auch viel von ihrem stattlichen Bungalow auf dem Festland in Berumbur, in der Nähe von Norden, in ihrem früheren Schulstandort Hage. Ein örtlicher Wechsel von Aachen an die
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